GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
Gerrit erhob sich und winkte Jazem zu.
„Komm mit, wir schauen, was sie macht!"
„Ich halte ihre Wutausbrüche nicht mehr aus. Am liebsten würde ich sofort abreisen, wenn ich nicht so müde wäre", deutete Jazem an.
Gemeinsam verließen sie den Versammlungsraum. Ich folgte ihnen. Aus einer angelehnten Tür erscholl das Gekreische in voller Lautstärke. Gerrit schob die Tür auf und erblickte Narissa. Ihr hübsches Gesicht war zu einer hässlichen Fratze verzogen. Ihre Mutter kauerte kniend vor ihren Füßen und verbarg ihr Gesicht. Ich sah, dass sie weinte.
„Narissa, was ist passiert?", fauchte Gerrit sie an.
Bis jetzt hatte sie die beiden Männer noch nicht gesehen.
Sie drehte sich schnell zu ihnen um. „Geht weg! Ich ertrage eure Anwesenheit nicht. Ich spreche mit meiner lieben Mutter. Mischt euch nicht in meine Angelegenheiten ein! Euer Freund ist an allem schuld", schrie sie voller Zorn.
Ihr Anblick erschreckte mich. Ich kannte ihren Egoismus, aber das Wesen, was mir hier entgegenblickte, war abgrundtief böse.
Sie trug ein hellblaues Kleid mit vielen Stickereien, und ihr wallendes goldenes Haar fiel ihr üppig über die Schultern. Ihre Mutter dagegen trug ein schlichtes, schwarzes Kleid, wie es sich für Trauernde gehört. Narissa schien nicht zu interessieren, dass ihr Vater vor kurzem verstorben war. Sie trauerte nicht einmal.
Gerrit ging mit offenen Armen auf sie zu und versuchte sie zu umklammern. „Narissa, beruhige dich bitte und sage mir, was passiert ist!"
Sie wehrte ihn wild mit ihren Armen fuchtelnd ab.
Derweilen stand Jazem immer noch an der Türschwelle. Er blickte gelangweilt. Anscheinend war es nicht der erste Ausbruch, den sie mitbekamen. Die Gleichgültigkeit meines Bruders zeigte mir, dass er ihre Ausbrüche nicht ernst nahm. Er blickte gelangweilt auf seine Fingernägel und lehnte an der Tür.
Ich schaute wieder zu Narissa, Gerrit und zu der armen Frau, die am Boden kniete und weinte.
„Ich sagte, geht weg! Ich ertrage dein Gesicht nicht, denn dann denke ich an den Versager Jeremia, der mich hier allein gelassen hat. Mir wird mein Thron verweigert und nun besitzt ihn meine jämmerliche Mutter." Wütend stampfte sie auf, den Blick auf ihre Mutter gerichtet. „Hör auf zu jammern! Ich bin die rechtmäßige Herrscherin, auch ohne Jeremia. Du bist NICHTS! Du hast nicht das blaue Blut in den Adern, das dich zur Herrscherin macht, Mutter."
Ich war fassungslos. Wie konnte sie nur so mit ihrer Mutter reden?
„Sprich nicht so mit deiner Mutter. Sie hat dich auf die Welt gebracht. Ihr verdankst du, dass du überhaupt existierst", brachte Gerrit ihr mit fester Stimme entgegen.
Ich wusste, dass er versuchte, seine Wut zu zügeln, denn mir ging es nicht anders. Ihre Mutter blickte nach oben. Ihr Gesicht war gerötet und ganz feucht von ihren Tränen.
„Bitte Narissa, der Thron interessiert mich nicht. Wenn der Krieg vorbei ist, wird das Volk dich auch anerkennen, glaub mir. Im Moment liegt viel Trauer und Wut in ihren Herzen. Sie werden dich lieben lernen. Warte bitte die Zeit ab!", flehte die Mutter.
Narissa hatte kein Verständnis. „Schweig Mutter, solange werde ich nicht warten. Du willst die Herrschaft für dich allein. Sei doch ehrlich. Ich stehe dir im Weg, aber ich lasse es nicht zu. Mir allein gehört Nalada. Und du hast nichts mehr hier verloren. Du warst nur die Frau meines Vaters, eine Bedienstete. Mehr bist du nicht, und jetzt verschwinde aus meinen Augen, sofort!"
Die Mutter versuchte aufzustehen, aber brach immer wieder in sich zusammen. Die Frau war gebrochen. Sie litt unter dem Verlust ihres Mannes, den sie so geliebt hatte. Wie konnte sich eine Mutter nur fühlen, die so ein Kind hatte? Wie viel Schmerz konnte sie noch ertragen?
Gerrit schritt zu ihr hinüber und half ihr auf. „Jazem, komm bitte her. Hilf der Herrscherin auf ihr Zimmer! Sie hat schon genug durchgemacht."
Jazem nahm die gebrechliche Frau um die Taille. Er stützte sie während sie den Raum verließen. Narissa stand vor Gerrit mit den Armen vor der Brust verschränkt. Zornig funkelte sie ihn an.
Gerrit hatte die Hände zu Fäusten geballt, während seine Arme an den Seiten nach unten hingen. „Es steht mir nicht zu, etwas zu sagen. Ich bin nur ein Krieger, aber in diesem Moment würde ich dich jetzt packen und dir deinen Hintern versohlen", fauchte er wütend.
Zorn wich aus ihrem Gesicht und wechselte zur Ungläubigkeit. Aber nicht lange, denn dann war ihre Wut umso größer. Ihre Augen
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