GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
verlassen, ohne einschlafen zu müssen. Wie man so sagte, Übung macht den Meister, und ich versuchte meine Gabe durch Ausprobieren besser zu verstehen und zu beherrschen. Wer weiß, vielleicht konnte ich noch weitere Fä-higkeiten erproben. Die Seelenwanderschaft fing an, mir richtig Spaß zu machen. Immerhin wusste ich bereits, dass ich in die Körper anderer Personen fahren konnte und deren Gehirne meine Gedanken als ihre unterjubeln. Bei Fisius war es nicht so schlimm gewesen wie bei Netan, dessen eingeschränkte Synapsenfelder abgrundtiefe Höllengruben waren, grausam, entsetzlich, diese Mordgedanken, dieser Hass, diese Schadenfreude. Einfach nur gruselig und entsetzlich! Die Gefühle eines Mörders und Aufhetzers wollte ich nie wieder erleben.
Netan war böse. Teuflich böse. Und seltsamerweise war da noch etwas gewesen. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Schnell verdrängte ich den Gedanken.
Ich würde nie wieder in ihn gehen, das hatte ich mir fest vorgenommen. Aber ich wollte trotzdem diese Gabe beherrschen, für alle Fälle.
Jason war kein schlechter Mensch, und deswegen nahm ich mir vor, es an ihm ausprobieren. Ich redete mir ein, dass ich so mehr von ihm erfahren könnte.
Routiniert ließ ich meine Seele fallen, um kurz drauf unterwegs zu sein.
Jason stand auf einer kleinen Terrasse und spähte in die Ferne. Ich stellte mich dicht neben ihn. Als ich seinem Blick folgte, sah ich zum ersten Mal ein Landstück von Capan. Die Landschaft wirkte trostlos und leer. Soweit das Auge reichte, gab es nur Einöde. Einige tote Bäume und Sträucher ragten aus der dörren Erde. Kein einziges Lebewesen war weit und breit zu sehen oder zu hören. Dieses Land schien tot. Sogar die Sonne machte einen trüben und farblosen Eindruck, ein verblasstes Hellgelb.
Capan war ein Territorium, in das ich niemals hätte reisen wollen.
Ich wandte mich Jason zu, der gedankenverloren dastand.
Was würden mir seine Gedanken zeigen?
Was hatte er durchmachen müssen?
All dies wollte ich wissen, deswegen wartete ich nicht lange und fuhr in ihn hinein. Sogleich wurde ich von seinen Gefühlen und Gedanken überschwemmt. Sein Schmerz fuhr in meine Seele und plötz-lich sah ich vor meinem geistigen Auge, wie er seine Eltern verlor. Ich sah diese schrecklichen Bilder und trauerte mit ihm. Er hatte so viel Schmerz in sich und ich bekam es mit der Angst zu tun, als ich mir vorstellte, falls dies auch meiner Familie widerfahren könnte. Und dann geschah etwas Seltsames.
„Was ist hier los?“, fragte er sich leise.
Instinktiv wusste ich, dass er mich meinte. Er musste mich fühlen. Ich gab einen Gedanken frei, der ihm gewidmet war. Ich wollte sehen, ob er ihn wahrnahm.
„Charisma?“, fragte er laut.
Er konnte mich hören!
„Ich werde dir nichts tun. Woher weißt du, wer ich bin?“, erkundigte ich mich mit meinen Gedanken.
„Ich kenne dich“, antwortete Jason „Wo bist du eigentlich und wie kann das sein, dass ich dich hören und fühlen kann?“
Er war genauso überrascht wie ich, aber wie konnte ich ihm erklären, dass meine Seele in seinem Körper ruhte. „Ich bin in dir“, sagte ich freudig erregt.
Seine Gefühle spielten verrückt, und ich fühlte, wie er hin- und hergerissen war, also begann ich zu erklären: „Ich möchte dir nichts Böses, bin genauso erschrocken. Zuvor war ich schon zweimal in eine andere Person hineingefahren, aber sie haben mich nicht bemerkt. Ich bin jetzt genauso verblüfft wie du, dass du in der Lage bist, mich zu hören und sogar zu antworten.“
Langsam beruhigte er sich wieder und dann stöhnte er etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. „Es - es tut mir leid“, stotterte er und seine Gefühle gaben dies wieder. Er sprach die Wahrheit. Er litt unter dem Verrat, den er begangen hatte.
„Es braucht dir nicht leid zu tun, denn ich weiß, warum du so gehandelt hast. Ich habe dich auch beobachtet und habe deine Schwestern gesehen. Ich weiß, in welcher Lage du dich befindest.“
„Ich hab aber heute etwas sehr Schlimmes getan. Ich habe Netan verraten, wo er Jeremia finden kann, und heute werden seine Truppen Caska angreifen, Jeremia gefangen nehmen und alle anderen töten.“
„Ich weiß, Jason, denn ich war dabei, als du es Netan erzählt hast.“
Jason fuhr sich mit seiner Hand durch sein lockiges Haar. Er war erschrocken, dass ich es wusste und er fragte sich, warum ich ihn dafür nicht hasste.
„Ich kann dich nicht dafür hassen, denn du bist genau wie ich unschuldig
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