Galaxis Science Fiction Bd. 10
ist jedoch die Wahrscheinlichkeit dafür äußerst gering. Kurz gesagt, die Wolken der Venus sind – wie jemand es einmal ausdrückte – so undurchsichtig wie Brombeermarmelade.
Aber woraus bestehen diese Wolken? Viele Jahre lang glaubte man, daß sie aus Wasserdampf bestehen würden, und bis zum Beginn dieses Jahrhunderts wurde die Oberfläche der Venus allgemein als »tropfnaß« angesehen. Falls es Meinungsverschiedenheiten gab, dann höchstens über den Grad dieser Nässe. Wenn man einen Astronomen danach fragte, holte er in der Regel ein Geologiebuch aus seinem Bücherschrank, zeigte auf das Bild eines Steinkohlenwaldes und sagte: »So ungefähr muß es auf der Venus aussehen.«
Nur wenige Leute erwogen die Möglichkeit, daß die Venus eventuell auch eine Panthalassa sein könnte – eine Wasserwelt – daß sie also von einem uferlosen Ozean bedeckt wäre, aus dem höchstens ein paar kleine Inseln hervorragten.
Diese Auffassung wurde sogar noch von Svante Arrhenius im Jahre 1918 vertreten.
NUR ein Jahrzehnt später war ein Meinungsumschwung um hundertachtzig Grad eingetreten, Hauptsächlich als Folge einer umfangreichen Reihe von Photos, die F. E. Ross von der Mt.
Wilson-Sternwarte im Jahre 1927 aufgenommen hatte. Das neue Bild der Venus war das eines vollkommen trockenen Planeten, auf dem von sich endlos dahindehnenden Wüsten heftige Sturme den Staub aufwirbelten und so unter weiteren Wolkenschichten eine Schicht aus Staubwolken schufen.
Die im Fernrohr beobachteten Markierungen waren alle, wie sich herausgestellt hatte, einzig und allein Sinnestäuschungen gewesen. Auf Grund der Arbeit von Ross erkannte man jetzt, daß es jedoch Markierungen gab, die man zwar nicht sehen konnte, weil sie sich im sichtbaren Licht nicht zeigten, dagegen aber photographieren konnte, vorausgesetzt man tat das im violetten und ultravioletten Bereich des Spektrums. Auch Dr. Kuipers Bestimmung der Venusachse beruht auf derartigen Photos. Der Grund für die Annahme absoluter Trockenheit war der, daß auf spektroskopischem Wege weder Wasser noch Sauerstoff entdeckt werden konnte, daß jedoch andere Linien festgestellt wurden, die man zum Kohlendioxyd zugehörig identifizierte.
Aber negative Beweise sind oft ein schwacher Grund, um darauf gültige Schlußfolgerungen aufzubauen. Die Behauptung, daß weder Wasser noch Sauerstoff in der Venusatmosphäre gefunden, werden konnte, sollte eher lauten, daß weder Wasser noch Sauerstoff über den Wolken gefunden werden konnte. Und es ist nicht schwer zu erklären, warum das auch schwerlich möglich war.
Das Spektroskop kann nur Wasserdampf, jedoch kein Wasser entdecken. Und die höchsten Wolken der Venus müssen ziemlich hoch sein. Wenn wir die Atmosphäre der Venus mit der der Erde vergleichen, dann wohl so ungefähr 15 Kilometer hoch. In der irdischen Atmosphäre beträgt die Temperatur in einer solchen Höhe minus 50 Grad. Alles Wasser in einer solchen Höhe würde also nur in Form von Eiskristallen auftreten. Und Eiskristalle lassen sich im Spektroskop nicht feststellen.
In ähnlicher Weise würde aller vorhandener Sauerstoff wegen der starken Sonnenstrahlung nicht mehr in der Form von Sauerstoffmolekülen, sondern nur noch in Sauerstoffatomen auftreten. Ich kann nicht sagen, wo die Spektrallinien von Sauerstoffatomen auf einem Spektrogramm liegen würden, aber gewiß nicht an oder nahe der Stelle, wo man die Linien von Sauerstoffmolekülen erwartet.
OBWOHL also das Bild eines staubtrockenen Planeten in ungefähr mit den letzten Beobachtungen übereinstimmt, braucht es deshalb noch lange nicht der Wahrheit zu entsprechen. Tatsächlich haben Donald M. Menzel und Fred L. Whipple vom Harvard-Observatorium kürzlich gezeigt, daß die vorhandenen Beobachtungsergebnisse genausogut auf eine Panthalassa zutreffen könnten, eine Welt, die in ihrer Gänze von Ozeanen bedeckt ist, die übrigens dann aus mit Kohlensäure versetztem Wasser bestehen würden – nichts anderem also als Selterswasser.
Zusammengefaßt kann man sagen, daß die Venus entweder völlig trocken oder völlig naß ist. Aber können wir herausfinden, welche dieser beiden Möglichkeiten nun wirklich zutrifft? Vermutlich nicht, bevor nicht ein neuer Faktor eingeführt wird – Raumfahrt.
Schon eine Gelegenheit, von außerhalb unserer Atmosphäre Beobachtungen anzustellen, würde der Astronomie einen ungeheuren Aufschwung geben. Von einer Raumstation aus könnte die Zusammensetzung der höheren Wolkenschichten der Venus
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