Galaxis Science Fiction Bd. 10
man sie überhaupt darstellen kann. Auf der anderen Seite sind es aber gerade die Oberflächenmarkierungen, von deren Bewegungen aus man auf die Rotationsdauer und die Stellung der Achse und der Pole schließen kann.
Diese Geschichte beginnt mit Jean Dominique Cassini, derder Überzeugung war, daß die Venus sich mit fast der gleichen Geschwindigkeit um ihre Achse drehen würde wie die Erde.
Die Zahl, die er uns im Jahre 1666 gab, war 23 Stunden und 15 Minuten.
Ungefähr achtzig Jahre später erklärte Francesco Bianchini, einer der Mitglieder von Papst Clemens' XI. Kommission für die Reform des Kalenders, daß Cassini sich gründlich geirrt hätte. Die Rotationsdauer betrüge viel mehr als nur einen Tag, tatsächlich 24 Tage und 8 Stunden.
Wieder ein paar Jahrzehnte später meinte eine Gruppe deutscher Astronomen, daß nicht Cassini, sondern Bianchini unrecht gehabt hätte. Die Länge eines Venustages betrüge genau 23 Stunden, 21 Minuten und 8 Sekunden.
Diese Angabe wurde im Jahre 1841 von Père de Vico um ein geringes verbessert, nämlich um 14 Sekunden.
FALLS wirklich die Rotationsdauer der Venus rund 23 1/2 Stunden betragen würde, dann müßte die Stellung der Oberflächenmarkierungen bei kontinuierlicher Beobachtung offensichtlich immer ungefähr dieselbe bleiben, da ja sowohl Venus wie Erde in der Zwischenzeit eine volle Umdrehung hinter sich gebracht haben.
Aber dann kam Giovanni Virginia Schiaparelli, der Entdecker der »Marskanäle« und ein fleißiger Beobachter der Venus, und sagte, daß man die Markierungen auch in der gleichen Stellung wiederfinden würde, wenn der Planet sich überhaupt nicht um seine Achse drehen würde. Schiaparelli war überzeugt, daß sowohl der Merkur wie auch die Venus sich im Bezug auf die Sonne genauso verhielten wie unser Mond im Bezug auf die Erde – daß sie also der Sonne immer die gleiche Seite zukehren würden, oder in anderen Worten, daß eine Umdrehung um ihre Achse die gleiche Zeit in Anspruch nahm wie ein Umlauf um die Sonne.
Früheste Zeichnung der Venus von Francesco Fontana.
Was den Merkur betrifft, so hat sich Schiaparellis Ansicht als zutreffend herausgestellt. Im Bezug auf die Venus stimmt sie allerdings nicht, denn die beobachteten Tatsachen widersprechen der Theorie, und eine dieser Tatsachen ist etwas, was wir wirklich und verläßlich über die Venus wissen – nämlich das Vorhandensein einer Atmosphäre.
Versuchen wir uns einmal vorzustellen, was geschehen würde, wenn Schiaparelli recht hätte, genauer gesagt, was geschehen würde, wenn die zweifellos vorhandene Rotation von einem Moment auf den anderen aufhören würde und jetzt das Sonnenlicht ununterbrochen auf die eine Hemisphäre des Planeten fallen konnte, Sonnenlicht, das – beiläufig gesagt – doppelt so stark herunterbrennt wie auf der Erde.
Die erhitzte Luft würde aufsteigen, und über den Terminator hinüber zur Nachtseite des Planeten strömen.
Umlaufbahnen der Venus und der Erde und verschiedene Positionen der Venus. In der Phase C zeigt die Venus maximale Helligkeit.
Dort würde sie abkühlen, dabei alle eventuell enthaltende Feuchtigkeit abregnen und wieder zur Tagesseite zurückkehren, wo der Kreislauf von neuem beginnen würde. Nach relativ kurzer Zeit – in den Augen von Astronomen und Geologen – würde alles Wasser des Planeten sich im gefrorenen Zustand auf der Nachtseite wiederfinden, die nach und nach immer kälter würde.
Da der Planet fast die Größe der Erde hat, würde das Gebiet der Nachtseite sehr groß sein. In seiner Mitte würde ein Kältepol entstehen, der auch nicht mehr durch die von der Tagseite kommende warme Luft erwärmt werden könnte.
Schließlich würde das Gebiet um den Kältepol so kalt worden, daß selbst das Kohlendioxyd in der Atmosphäre sich dort als Schnee niederschlagen würde. Die Atmosphäre würde also immer dünner werden, besonders da ein weiterer Teil über der Tagseite so erhitzt würde, daß die Gasmoleküle Fluchtgeschwindigkeit erreichen und in den Weltraum verloren gehen würden.
Weniger Luft wird weniger Wärme zur Nachtseite bringen. Diese wird immer mehr abkühlen und immer schneller, bis endlich auch alle anderen Gase dort festfrieren.
Am Ende wäre alle Feuchtigkeit und ein Teil der Atmosphäre auf der Nachtseite zu Eis erstarrt, ein anderer Teil der Atmosphäre wäre in den Weltraum entwichen. All das wäre natürlich schon vor Jahrmillionen geschehen, so daß die Venus jetzt ein Planet ohne
Weitere Kostenlose Bücher