Galaxis Science Fiction Bd. 10
Lufthülle wäre.
HINZUZUFÜGEN wäre hier vielleicht, daß die Bedingungen auf dem Merkur denen auf der eben beschriebenen hypothetischen Venus nicht ganz zu entsprechen brauchen. Der Merkur ist viel kleiner als die Venus, und die Fluchtgeschwindigkeit für die Gase der Atmosphäre ist deshalb auch geringer. Und da er der Sonne viel näher steht, wird er auch mehr erhitzt. Eine eventuelle Lufthülle des Merkur wird also vermutlich zum größten Teil in den Weltraum entwichen sein.
Im Falle des Merkur wird dieser Verlust der Atmosphäre über einen längeren Zeitraum vor sich gegangen sein, denn er besitzt auf Grund seiner sehr exzentrischen Bahn einen breiten Zwielichtgürtel. Bei der Venus mit ihrer kreisförmigen Bahn kann eine solche Zone nur sehr schmal sein.
Deshalb wissen wir, daß Schiaparelli mit seiner Theorie über die Rotation der Venus nicht recht haben konnte. Der Planet muß also um seine Achse rotieren.
Karte der Venus, im Jahre 1891 von Niesten gezeichnet.
Wenn, zum Beispiel, Cassini recht hätte, dann würden wir die von ihm angenommene Rotation mit Hilfe des Doppler-Effektes nachweisen können müssen. Aber der Doppler-Effekt verrät uns nichts, was mit anderen Worten bedeutet, daß die Rotation langsamer als die der Erde sein muß, auf jeden Fall länger als 100 Stunden. Viel länger als 100 Stunden kann sie jedoch auch wieder nicht sein, denn wenn das der Fall wäre, müßte die Temperatur der oberen Schichten der Atmosphäre über der Tag- und Nachtseite beträchtlich differieren.
Jene Unterschiede, die nachgewiesen werden konnten, sind jedoch nicht sehr groß – und außerdem etwas ungewiß. Entsprechend unserem heutigen Wissen – was zugegebenermaßen nicht sehr umfangreich ist – muß deshalb die Rotationsdauer der Venus so ungefähr in der Nahe von zwanzig Tagen liegen.
Und jetzt zu den Oberflächenmarkierungen.
Sie sind, wie schon erwähnt, ziemlich schwach und undeutlich und laufen im großen und ganzen dahin hinaus, daß die Polarregionen etwas heller als das Äquatorgebiet erscheinen. Bianchini kam nach eingehenden Studien zu dem Schluß, daß es eine Anzahl miteinander verbundener äquatorialer Meere geben müßte, die er Mare Galilei, Mare Columbi, Mare Vespucci und so weiter benannte.
Der Deutsche Schroeter konzentrierte seine Aufmerksamkeit mehr auf die Polargebiete und kündigte im Laufe seiner Beobachtungen an, daß er in der Nähe des Südpols ein paar Mal einen Blick auf einen riesigen Berg erhascht hatte, einen Berg, der wenigstens 70 Kilometer hoch sein, müßte. Da es jedoch einen Berg solcher Höhe nicht geben kann – er würde durch sein eigenes Gewicht auseinanderfliegen – wurde Schroeter vermutlich, durch eine isolierte hochfliegende Wolke irregeführt.
Im Jahre 1891 – kurze Zeit nachdem Schiaparelli seine Theorie über die Rotation der Venus veröffentlicht hatte – publizierte der Astronom Niesten eine Karte der Venus, die nach der Bianchinis bis jetzt die einzige ihrer Art geblieben ist.
Sieben oder acht Jahre später nahm W. Villiger, ein Münchner Astronom, ein paar Gummibälle und tauchte sie in weiße Farbe. Dann hängte er sie in einer solchen Entfernung auf, daß sie durch ein kleines Fernrohr gesehen den gleichen Winkeldurchmesser zeigten wie die Venus durch ein größeres Teleskop. Anschließend beleuchtete er sie auf dieselbe Art und Weise, wie die Venus durch die Sonne beleuchtet wird. Danach ließ er einige seiner Studenten von diesen Bällen Zeichnungen anfertigen und machte auch selbst ein paar Skizzen. Die völlig glatten formlosen Bälle sahen darauf um die Pole herum viel heller aus als ihre übrige Oberfläche und zeigten ein paar verschwommen elliptische graue Flecken um ihre Mitte.
Nach diesem Experiment war es ziemlich eindeutig erwiesen, daß kein Astronom je die Oberfläche der Venus gesehen haben konnte und daß alle beobachteten Markierungen nur auf Sinnestäuschungen zurückzuführen waren. Es besteht zwar kein Zweifel, daß man entlang der Tag-und-Nacht-Linie gelegentliche Einbuchtungen hat feststellen können. Diese Unregelmäßigkeiten in der Wolkenschicht ermöglichten aber noch lange nicht einen Blick auf die Planetenoberfläche.
Die Venus scheint ihr Geheimnis hinter wenigstens drei Wolkenschleiern zu verbergen, denn jede Wolkenschicht reißt zumindest einmal auf, und selbst bei zwei übereinanderliegenden Wolkenschichten sollten diese Löcher gelegentlich zusammenfallen. Bei einer dreifachen Wolkenschicht
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