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Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Titel: Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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Unwahrscheinlich. Oder, überlegte Jana Hakon, standen die Auftraggeber der beiden derart unter Druck, dass Panik ihre Aktionen bestimmte? Zu dumm, dass sie es nicht wagen durfte, an einem dieser beiden rätselhaften Emissäre auszuprobieren, ob sie noch beherrschte, was die Schwestern des Konzils ihr beigebracht hatten.
    Mikko steckte den Chip mit den Einsatzdaten und den Vertragsbedingungen in eine der zahlreichen Taschen seines Gürtels. Er rieb seine Hand an dem blütenweißen Hemd ab, als habe er sich am feisten nackten Leib des Goldenen beschmutzt; dabei war es doch nur die waffenabweisende Hülle gewesen, die Mikko berührt hatte. Er zog langsam die Perücke von seinem Schädel. Schweiß quoll aus seinen natürlichen roten Haaren hervor und rann in öligen Tropfen über Mikkos Gesicht.
    »Ich hoffe, du hast alles, was du wolltest«, sagte Ari müde. Er hatte die ganze Zeit über nichts gesagt und offenbar dem Gespräch über weite Strecken nicht folgen können. Jetzt sah er zu, wie Mikko sich zurückverwandelte. Mikko-der-Diplomat löste vorsichtig die winzigen Aufzeichnungsgeräte aus seiner Perücke und verwahrte sie in einem der Geräte am Gürtel; es war nur ein Futteral, ein speziell gekapselter Safe für empfindliche und besonders wichtige Daten. Mikko-der-Macho stand auf und schlug Ari und Veruca Salt auf die Schultern. Dann kippte er den Rest des Cocktails auf die Tischplatte, wo eine zischende Pfütze entstand.
    »Ich will raus aus diesen Klamotten«, sagte er, »und ich will einen saufen gehen, vielleicht was Stärkeres ausprobieren. Das da kribbelt nur.«
    Mit einem heftigen Ruck riss er sich das Tuch vom Hals, und Striemen blieben auf seiner weißen Haut zurück.
    »Das muss gefeiert werden«, sagte er; Veruca Salt sah, dass er in seiner engen schwarzen Hose eine dringend wirkende Erektion hatte. Wahrscheinlich hatte er die, seitdem er gespürt hatte, dass er seine Gegner über den Tisch gezogen hatte.
    Die Barmaschine kam herangerollt und zeterte wegen der Schweinerei auf dem Tisch. Veruca Salt ließ den zähen Kaffeesatz in das brodelnde Zeug tropfen, und Ari spendierte der Pfütze gut ein Drittel des karnesischen Drinks. Als sie gingen, hatte sich das seltsame Gemisch entzündet, und die Barmaschine spuckte weißen Schaum aus, um das Feuerchen zu ersticken.
    Einige Stunden danach, Mikko-im-Bett schlief tief und erschöpft, stahl sich Veruca Salt von den zerwühlten Laken und benutzte die geräuschlos funktionierende Dusche. Der Abend war anstrengend gewesen. Mikko-der-Macho musste den großen Erfolg feiern, den Mikko-der-Diplomat errungen hatte, und Veruca Salt war nicht sicher, ob eine normale Menschenfrau ausgehalten hätte, was Mikko-der-Macho ihr heute zugemutet hatte. Heftige, kurze und schmerzhafte Sexualakte auf dem Klo einer schummrigen Bar, im Gang zu den Nachtschaltern einer Online-Bank und auf einem Gravi-Billard-Tisch, während hinter den Vorhängen die Kumpane Mikkos verhalten prustend zusahen. Und jedesmal hatte sie gespürt, dass noch lange nicht Schluss war, dass unter all dem Gelächter und zotigen Gerede und Muskelrollen ein einsamer, alleingelassener Mensch kauerte. Mit dem hatte sie es dann hier zu tun bekommen, mit Mikko-im-Bett, und wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie die anderen Inkarnationen dieses seltsamen Mannes am liebsten ermordet. Nur konnte sie Mikko-den-Macho oder Mikko-den-Kumpel nicht erwürgen, und sie konnte Mikko-den-Diplomaten, seine erstaunlichste Metamorphose, nicht enthaupten, ohne diesen Mikko ebenfalls umzubringen, dieses liebe, starke, hilflose Kind, dessen Berührungen irgend etwas in ihr weckten, das selbst K‘jonasoidt nicht vollständig unter Kontrolle hatte.
    Ja‘ana K‘jonasoidt Hakon T‘Arastoydt gestattete sich für einige Sekunden, vollständig und eins zu sein. Mikko schlief tief und fest, diese Kabine war verschlossen, was sollte also passieren. Als ihr Körper sich regenerierte, Hautrisse sich schlossen und Blutergüsse sich auflösten, kam sie sich vor wie eine antike Lokomotive, die auf ihren alten Gleisen einrastet, um einen vorbestimmten Weg weiterzuverfolgen. Voneinander künstlich getrennt gehaltene Teile ihrer Persönlichkeit fügten sich zusammen und staunten übereinander, vor allem über Veruca Salt, die nicht mehr nur ein der Tarnung dienender Name war, sondern – näherungsweise – eine Person. Interessant, einen solchen Prozess aus der Nähe zu beobachten; in den Datensammlungen fand sich nichts Vergleichbares.

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