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Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Titel: Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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zugleich kam, denn die Wand ging in einem großen Kreis herum. Was geschah in der Mitte des riesigen Tellers, wo der Wind aus allen Richtungen zusammentraf?
    Dorthin führte Tassos nächste Expedition. Er nahm kaum Vorräte mit, denn durchquert war der Teller sicherlich schneller als umrundet. Die Richtung konnte er nicht verfehlen, immer abwärts, immer den leichten Wind im Rücken. Tasso fielen Büsche auf, die keinen Zweig rührten. Wieso eigentlich nicht?, wunderte sich Tasso.
    Dieser Strauch sah eigenartig aus. Auf allen Trieben und Zweigen liefen bläuliche Linien spiralförmig entlang, aus denen ovale dunkelgrüne Blätter wuchsen. Sie hatten keinerlei Muster oder Blattadern – wie Sukkulenten. Tasso versuchte, einen Zweig abzubrechen. Er konnte ihn ein wenig biegen, mehr nicht. Enttäuscht ließ er los. Die Krümmung im Zweig blieb. Wie ein Draht, den man verbogen hatte. Er fotografierte das Ding ausgiebig. Falls man es für nötig gehalten hatte, den Rechner eines Raumboots mit Botanik zu füttern, konnte er seine kluge Maschine später auf die Aufzeichnung loslassen. Mir kommst du jedenfalls nicht bekannt vor, Kumpel, dachte Tasso grimmig, als er weiterging.
    Die Landschaft blieb uninteressant, und er betrachtete die Büsche misstrauisch, während er weiterlief. Die Schritte klangen manchmal seltsam anders, die Pflanzen waren seltener. Es gab wenig, worin sie wurzeln konnten. Unter einer dünnen Sandschicht schimmerte hier und da Metall. Jenes verflixte Metall, das Tassos Raumboot und das Schiff der Dreiäugigen und die anderen so zuverlässig festhielt und sich hinter den Felsen der Wand versteckte. Hier lag es zutage.
    Der Pilot sah sich um, ohne seine Schritte anzuhalten. Keine Büsche mehr, kaum Dunst. Und die Luft roch anders, ein wenig wie am Meeresufer. Nach Nässe, Salz und Wind. Nach richtigem Wind. Im spärlichen Sand waren Muster zu sehen. Ausgewaschene Rinnen, als sei vor nicht allzu langer Zeit Wasser geflossen. Ein paar hundert Schritte weiter bewegte sich Tasso über blankes Metall. Voraus konnte er schemenhaft eine Grenze erkennen. Einen Zaun oder so. Tasso verspürte Angst. Wieso soll ich Angst haben?, dachte er. Wenn ich herausfinden will, wo ich bin, muss ich mir alles hier aus der Nähe besehen. Alles.
    Das Ding entpuppte sich als stabiles Geländer, einszwanzig hoch und von armlangen ovalen Öffnungen an der Basis durchbrochen. Tasso lehnte sich dagegen – das Ganze wirkte äußerst stabil – und blickte nach unten. Auf der anderen Seite des Geländers war buchstäblich nichts. Eine grauenvolle Leere, in der Dunst schwamm, und die ihm das Gefühl gab, als sähe er in einen Abgrund, aus dem Ungeheuer und namenlose Gespenster steigen könnten.
    Leise, als bemühte er sich, niemanden zu stören – wen denn eigentlich? –, löste er Geräte vom Gürtel. Er hatte einen Stab dabei, den er durch Teleskopmechanik in einen drei Meter langen Ausleger verwandeln konnte. An den koppelte er nacheinander einige Messgeräte. Er interessierte sich nicht für die Messwerte, jetzt nicht. Das konnte er im Boot erledigen. Aus einem Grund, der ihm nicht klar war, wollte er schnell von hier weg. Irgendetwas machte ihm Angst. Tasso beeilte sich, so sehr er konnte.
    Er war eben fertig mit dem Zusammenpacken seiner Gerätschaften, da vernahm er zwei Geräusche und erstarrte. Von oben, schräg über ihm, hörte er einen dünnen Ruf. Er klang menschlich. Von unten aus dem dunstigen Nichts herauf kam ein donnerndes, grollendes Geräusch, als wollten die Drachen, Geister und unbeschreiblichen Schreckensgestalten der Tiefe, die Tasso sich ausgemalt hatte, emporsteigen und ihn überfallen. Er wich vom Geländer zurück. Das Grollen steigerte sich zum ohrenbetäubenden Schrei, schrill und dumpf zugleich. Der Boden erzitterte. Dann raste ein riesiges Ding wie wasserheller Kristall aufwärts durch das Nichts, wie ein startendes Raumschiff, schreiend und kreischend. Eine Wand aus Wasser traf Tasso, riss ihn von den Beinen und spülte ihn fort, und er verlor das Bewusstsein.
    Tassos Leib war übersät mit Prellungen und mit Blutergüssen, die jetzt in den schönsten Farben blühten, grün und gelb und hellblau. Die wilde Woge hatte ihn ins Land hineingeschwemmt, und in seiner Erinnerung hatte er ewig gebraucht, sich bis zum Boot zu schleppen und sich dem Arzt vorzuwerfen. Die rasche Reise landeinwärts hatte Tasso nicht gutgetan: Quer übers Gesicht zogen sich tiefe Schrammen, wo es ihn über die Büsche gezerrt

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