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Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Titel: Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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natürlich viel flinker. »There was a guy«, sang Markus aus voller Kehle mit, »an underwater guy who controlled the sea, got killed by ten millions pounds of sludge.« Markus sang viel lauter, als es an dieser Stelle nötig war. Die Streicher sägten sich durch ihre wenigen Töne, und die komplizierte Lautsprecheranlage ließ die Akkorde von «This Monkey Gone To Heaven« in atemberaubender Lautstärke durch die Luft marschieren. Markus schaltete die Anrufmaschine ein. Stumm bewegten die armen, hilflosen, stimmlosen und vergeblichen Gesprächssuchenden dieses Tages die Lippen. Es war kein Wort zu verstehen, nur das hinreißende Schrammeln dieser entfesselten Gitarre. Markus konnte sich zu jedem Gesicht denken, was es sagte. Das übliche Zeug. Es war kaum notwendig, sich nachher die Nachrichten anzuhören, aufgezeichnet war sowieso alles.
    »The creature in the sky got sucked in a hole«, dröhnte es aus den Lautsprechern – Markus und die Töpfe im Küchenschrank vibrierten mit – »now there‘s a hole in the sky, and the ground‘s not cold, everything is gonna burn.« Es gab wirklich nichts Aufregendes im Speicher der Anrufmaschine. Schade eigentlich.
    Markus probierte aus, an welcher Stelle in seinen Regalen die obskure Brille am besten aussah. Das Design von dem Ding war so grell, dass es überall die Objekte in seiner Umgebung optisch erschlug. Vielleicht sollte er es irgendjemandem andrehen, der keine Ahnung davon hatte, dass Virtuell-Brillen seit mehreren hundert Jahren unmodern waren und es immer bleiben würden. Solche Naivlinge würde man allerdings höchstens auf Engambosch finden können.
    Auf der Anzeige der Anrufmaschine wechselten sich Gesichter ab, die nur zu bekannt waren. Sie bewegten ihre Lippen; kein einziges ihrer Worte drang durch. »Then God is seven, God is seven, God is seven«, brüllten die Lautsprecher. Markus hielt inne und starrte überrascht auf ein Gesicht, das er beinah vergessen hatte. Tief in seinem Inneren spürte er, wie eine Saite sich spannte. Das konnte nicht wahr sein. God is seven. Diese Frau rief ihn an. Das war eine Nachricht aus der Vergangenheit. Und Markus dachte nicht oft und nicht gern an dieses Kapitel seines Lebens. God is seven. Es passte so gut, dass es wehtat. Sie hatte ihm damals geraten, unbedingt bei dem zu bleiben, wovon er träumte. Und er hatte es getan. Er hatte weiter verbissen seine Musik gemacht. Er hatte nicht eines Tages alles kurz und klein geschlagen, wie man es den Riesen von Karna nachsagte. Und der Traum war wie durch den Wink einer Fee verwirklicht worden. Markus war hier, wenige Kilometer entfernt von dem berühmten sonnenlichtübergossenen Strand von Bahia de Janeiro auf Penta V, und in seinem Haus wartete eine ausgeklügelte Technik darauf, seine Melodien in ihre unersättlichen Speicher zu saugen. Eine Fee hatte mit den Fingern geschnipst, und Markus hatte kaum etwas tun müssen. Die strammen Leiber von Erfolg und Wohlstand waren von allein unter seine Bettdecke geschlüpft.
    Was tat es, dass die Quelle der Melodien verstopft war, verschüttet; dass seit Wochen, Monaten, Jahren sich lediglich Zeug auf den Tonspuren sammelte, das der pure Müll war, wohlklingende Gebilde, die reibungslos ins Ohr gingen. Musikalisch war dieses Zeug so tot, dass es stank. Glatt, gefällig, süßlich, so nebenbei zu konsumieren wie ein Bonbon. Grauenhaft. Markus konnte es gar nicht so schnell löschen, wie er neuen Abfall dieser Art einspielte. Und es hatte einmal eine Zeit gegeben, da er so viele Ideen hatte, dass ihm die Sender und die Agenturen die Bude einliefen.
    Das war gewesen, als er frisch hierhergekommen war, und all seine Ideen waren in diese Veröffentlichung geflossen. Der Chip, das Fingerschnippen der Fee, hieß «Kutembea Pt. 2«, zweiundsiebzig Minuten Musik, und er verkaufte sich so gut, dass Markus danach alle Zeit der Welt hatte, ein weiteres Meisterwerk einzuspielen. Das Problem war, dass man ihm jeden Mist abgekauft hätte, nach diesem Erfolg, und er wollte nicht, dass man bonbonfarben klingenden Mist kaufte, weil ein Etikett mit seinem Namen darauf klebte. Die segnende Handbewegung der geflügelten durchscheinenden Fee war es, was «Kutembea Pt. 2« zu solch einem Erfolg gemacht hatte. Markus wollte nichts verkaufen, was nicht über diese rätselhafte Magie verfügte. Keine Bonbons. Und nun sprach jeden Tag dieser Mensch von der Agentur auf seine Anrufmaschine, teilte die neuesten Verkaufszahlen mit und fragte jeden Tag mit derselben

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