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Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Titel: Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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plötzlich auf das weiße Ledersofa geraten war. Michael schüttelte den Kopf. Nie zuvor hatte er gehört, dass man offizielle Beziehungen zu dem einstigen Feind unterhielt.

3.
Markus Hataka • Wenn der Mensch fünf zählt der Mensch ist fünf / Zählt der Teufel die Sechs der Teufel ist Sechs / Dann ist Gott die Sieben Gott die Sieben
    Vielleicht war es keine schlechte Idee, zu den Gitarren zurückzukehren. Selbst so ein Ding in die Hand nehmen und spielen, nicht nur diese uralten Aufnahmen hören und die alle paar Dutzend Jahre auftauchenden Epigonen. Vielleicht war etwas dran, dass man mit allen Rechnern und synthetisierenden Klangerzeugern des Universums den speziellen Klang der Wut und der Trauer nicht nachahmen konnte, den jemand hervorbrachte, der voller Verzweiflung auf sechs Saiten einschlug.
    »Ist irgendwas nicht in Ordnung?«, fragte die alte Eveline, die zu ihrer Haustür vorbeischlurfte. Markus zuckte zusammen und begriff, dass er seit Minuten vor seiner eigenen Tür stand und gedankenverloren auf sein Namensschild starrte. Er musste einen seltsamen Anblick geboten haben.
    »Es ist nichts«, sagte er hastig zu Eveline. Die nickte nur und setzte unbeirrt ihren Weg fort. Sie hatte gelegentlich behauptet, in ihrem Alter dürfe man nicht ohne triftige Gründe stehenbleiben, um nicht plötzlich zu Staub zu zerfallen. Markus kannte die alte Dame als emsig dahinschlurfende Gestalt. Er mochte sie, weil sie ihn hin und wieder fragte, wie die Musik hieß, die er hörte. Über die Lautstärke hatte sie sich nie beschwert. Manchmal kaufte sie sich sogar den einen oder anderen Titel, den sie zuerst durch die Wand zwischen ihren Appartements hatte dröhnen hören. Neulich hatte Markus deutlich »Are You Experienced?« von Evelines Seite herüber hören können. Vielleicht, dachte er, ist es mein Lebenswerk, eine einzelne alte Dame mit der Liebe zu antiken Musikstücken zu infizieren.
    Er entriegelte die Tür mit einem kräftigen Handabdruck und ging in sein Haus. Das Schöne an diesen Reihenhäusern in den Bergen, ganz am Rand von Bahia de Janeiro, war ihre Variabilität. Man konnte praktisch alles innerhalb der Mauern ändern und umstellen, Wände, Zimmer, Treppe. Markus hatte die alte Einrichtung hinausgeworfen. Oben am Ende einer winzigen Galerie, auf die eine steile Treppe führte, klebte ein Schlafzimmer. Das war alles. Der restliche Raum war angefüllt mit den verschiedensten Musikinstrumenten, einer ganzen Batterie von Rechnern, Kabeln, Mikrofonen, Effektgeräten. Auf langen Regalen an der Wand aufgereiht thronte die Verstärkersammlung. Verschiedene Lautsprecher bedrohten mit klaffenden Mäulern den freien Raum in der Mitte.
    Markus legte das Gerät, das er mitgebracht hatte, vorsichtig auf einen Stuhl und betrachtete es wie ein Kunstwerk. Vielleicht war es das. Eine Spezialbrille, Teil einer Installation für virtuelle Musikinstrumente. Orgel spielen in der Luft, auf einer vorgegaukelten Tastatur, deren Tasten heute aus Elfenbein und morgen aus geschnitztem Oniskus-Holz sein konnten, inklusive sprühender Funken. Rechnergestütztes Spielzeug. Dieses Virtuell-Zeug konnte sich nicht durchsetzen. Es hatte keine Chance gegen die Direktverdrahtung des menschlichen Gehirns, wie sie nur die Leute bekamen, die ihre Seele dem Flottenkommando überschrieben. Doch alle paar Jahrzehnte versuchte wieder einmal jemand, mit virtuellem Kram Geschäfte zu machen. Diese Brille hier hatte ein atemberaubendes Design. Es machte Spaß, sie anzusehen. Hübsche Vorstellung, jemandem das Ding auf die Nase zu drücken; aber es machte keinerlei Appetit darauf, einzustöpseln und hindurchzublicken. Vielleicht war deshalb der virtuelle Kram gerade wieder einmal out.
    »Musik«, sagte Markus, und nach einer Sekunde, in der der Zufallsgenerator aus den vielen Zehntausenden gespeicherter Stücke eines herauspickte, erfüllte ein schwirrender Klang das Zimmer. Achtundvierzig kunstvoll verstimmte Saxophone tanzten einen schleppenden atonalen Reigen um einen einzigen Akkord herum, ohne ihn je zu erreichen. Das war Bokodionow, eine der vielen komplett experimentellen Suiten. Markus spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten. Das wollte er sich jetzt nicht anhören. Das nicht, nichts Verkopftes, und kein endloses Geblubber wie die Musik von Utragenorius, die angeblich so überaus beruhigend sein sollte.
    »Stopp. Präferenz«, befahl Markus, »und Zufall.«
    Unter seinen als bevorzugt gespeicherten Stücken eines auszulosen, ging

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