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Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Titel: Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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länger man dabei blieb und je länger man es probierte, desto schlimmer wurden die schlechten Trips. Jeder, der mit Ycorgan anfing, wusste das, und es war ebenso allgemein bekannt, dass jeder, der auf dieses Zeug abfuhr, irgendwann einmal in einem allerletzten allerschlimmsten Trip ausbrannte, ein nahezu gesunder Körper mit einem nahezu zerstörten Gehirn. Es gehörte auf Penta IV zur Therapie, jemandem auf Entzug diejenigen zu zeigen, die es nicht bis dahin geschafft hatten. Auch in dieser Hinsicht war die Werkwelt rabiater als andere besiedelte Planeten.
    Markus hatte sie gesehen, die Opfer der Zeit, gedankenentleerte Köpfe, aus denen die Augen mit einem grauenhaften Ausdruck völliger Geistlosigkeit blickten. Ein paar Grundfunktionen hielt der Körper aufrecht, atmen, verdauen, scheißen, schwitzen, Blut durch die Adern treiben. Selbst diese Prozesse gerieten in den Sog des Nichts, das brüllend durch die leeren Hallen eines ausgelöschten Geistes tobte. Alles steigerte sich ins Übermaß. Der Blutdruck stieg, die Atemzüge wurden tiefer, und die Leiber der Süchtigen begannen, gigantische Mengen von Luft einzusaugen und auszustoßen, pumpende Fleischklumpen, heftig arbeitende Brustkästen, dick und violett hervortretende Venen an Schläfen und verkrampften Armen. Die Leute hechelten sich zu Tode, und es waren ja strenggenommen keine Leute mehr, lediglich Hüllen, deren Bewohner sich selbst mit chemischen Lusterzeugern hinwegbefördert hatten, wohin auch immer. Sterbliche Hüllen, die manchmal monatelang nach Luft schnappten, ehe eine gnädige Lungenentzündung oder platzende Herzgefäße ihnen weitere sinnlose Arbeit ersparte.
    Markus hatte sich damals gefragt, warum man die armseligen seelenlosen Körper nicht barmherziger sterben ließ, ohne diese Quälerei, und er hatte diese Frage Jana gestellt, die eine Antwort gab, die ihn tief verblüffte.
    »Zwei Gründe sind denkbar«, hatte sie in ihrer sachlichen Art gesagt, »und beide beruhen auf Beobachtung, nicht auf Wissen.«
    Markus hatte sie fragend angesehen, und sie hatte erklärt, was sie meinte.
    »Ärzte haben einen Eid abgelegt, immer und überall Menschenleben zu erhalten. Es ist eine Frage der Definition, ob die Ycorgan-Opfer dazuzuzählen sind. Leben sie? Sind sie nach wie vor Menschen? Und diese Patienten dienen immer noch einem verständlichen Zweck. Sie werden als abschreckendes Beispiel benutzt. Wer nach dem Anblick der lebenden Toten das Zeug benutzt, tut es im vollen Bewusstsein der Tatsache, dass sein Körper bald in so einem Bett liegen und sich mühsam zu Tode keuchen muss. Und«, schloss Jana trocken, »wer das wirklich will, der soll es halt hinter sich bringen.«
    Markus hatte Jana entsetzt angesehen, und sie hatte ruhig zurückgeblickt. Für sie war es selbstverständlich, dass man die Kontrolle über sich hatte, und wer sie auf diese Art aus der Hand gab, musste gute Gründe dafür haben. Gott ist sieben, dachte Markus, ein unbarmherziger, weiblicher, schöner Gott, der sachlich seinen Haken macht hinter ein Leben. War halt nichts. Eins, zwei, drei und vier sind derzeit offen. Acht ist besetzt, das ist finstere bösartige Vernichtung, acht ist jenseits. Will ich eigentlich wissen, was dieser Text wirklich bedeutet? Es reicht völlig aus, dass er mich an Jana erinnert, an diesem ersten Tag, damals in dem verdammten Institut. Und sie haben die nach Luft und immer mehr Luft ringenden Patienten wirklich gepflegt, erinnerte sich Markus; da waren blendendweiße Tücher gewesen, die man auf die weit aufgerissenen Münder legte, ganz vorsichtig. Die Tücher waren steril und angefeuchtet. Damit die Bronchien und Lungen nicht austrockneten. Und Medikamente wurden nicht gespritzt, sondern auf diese Tücher geträufelt; tiefer als diese nur allzu sterblichen Hüllen konnte niemand inhalieren. Und die Räume, in denen diese kläglichen Reste ehemals menschlicher Wesen hechelten, waren klimatisiert, die Luft feuchtigkeitsgesättigt und warm, der Sauerstoffgehalt war leicht herabgesetzt, um Hyperventilation zu vermeiden. Als ob es darauf noch angekommen wäre, dachte Markus.
    Es zog frisch herein durch das riesige geöffnete Fenster, und Markus klimperte gedankenlos auf einem billigen elektrischen Klavier herum. Er wälzte Erinnerungen an Jana damals im Institut, und er dachte an die ominösen Schöpfer, die eine wichtige Rolle in der Gedankenwelt der Galdäer spielten. Keine Götter, und wenn doch, dann nicht so wie die üblichen Gottheiten. Zwar

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