Galeeren in der Ostsee
laut: »Verdammt noch eins, natürlich: Bolitho! Mir ist bis jetzt nicht eingefallen, daß
Sie
es sind! Ich habe von Ihnen in der
Gazette
und in der
Times
gelesen.« Er drohte Browne mit der Faust. »Sie sind ein noch größerer Dummkopf als Ihr Vater, Oliver.
Mir nichts zu sagen! Gottverdammmich, Mann!« Er war außer sich vor Vergnügen. Browne sagte sanft: »Sie haben mir kaum Gelegenheit dazu gelassen, Mylord.«
Ein Diener riß die Tür auf, und Lady Swinburne rauschte mit der imposanten Würde eines Linienschiffs herein, um ihre Gäste zu begrüßen. Sie nickte Browne zu. »Ah, Oliver!« war alles, was sie sagte, doch Bolitho vermutete, daß es viel mehr bedeutete. Dann nahm sie Bolithos Hand und musterte ihn neugierig. Sie war eine sehr große Dame, gut einen Kopf größer als ihr Mann.
»Konteradmiral Bolitho, Sie sind herzlich willkommen. Sie sehen so aus, wie mein Sohn jetzt wohl ausgesehen hätte. Er fiel bei der Schlacht in der Chesapeake-Bucht.«
Swinburne sagte: »Quäl’ dich nicht damit, Mildred. Es ist lange her.«
Bolitho drückte ihre Hand. »Nicht für mich, Mylady. Ich war dabei.«
Sie nickte. »Das dachte ich mir, da Sie gleichaltrig sind.« Ein Lächeln wischte ihre plötzliche Trauer beiseite. Sie sagte: »Oben liegt ein junge Dame, die Sie zu sehen wü nscht. Um Ihnen zu danken.« Lady Mildred sah, daß der Arzt kurz den Kopf schüttelte, und bemerkte den Blutfleck auf Bolithos Hose, den auch der Alkohol des Arztes nicht ganz beseitigt hatte. »Na schön, dann eben später.« Sie warf den anderen einen strahlenden Blick zu. »Ein verwundeter Seeheld und eine Dame in Not, kann es bessere Voraussetzungen für ein schönes Weihnachtsfest geben?«
Eine alte Rechnung
Bolitho stand unentschlossen am frisch entfachten Kaminfeuer und lauschte auf das Prasseln des Graupelregens gegen die Fenster. Es war Abend und er, soweit er wußte, fast allein in dem großen Haus. Sie hatten ihm ein kleines Zimmer im Erdgeschoß eingeräumt und ihn nicht einmal zum Mittagessen geweckt.
Als er schließlich aufgewacht war, hatte er seine Kleider sauber zurechtgelegt gefunden und seine Kniehosen wie neu und ohne eine Spur der Blutflecken.
Das Haus mußte sehr alt sein, stellte er fest, und viele Generationen von Swinburnes hatten immer wieder daran gebaut. Sein Zimmer war mit hohen Regalen ausgestattet, in denen offenbar vielbenutzte Bücher standen. Es erinnerte ihn an den Raum in Kopenhagen, in dem ihn der Kronprinz empfangen hatte. Auch das schien jetzt Teil eines Traumes zu sein. Nur die schmerzhafte Erinnerung an seine Wunde bürgte für die Realität.
Er versuchte, die Frau aus der Kutsche als völlig Fremde zu sehen, wie es selbstverständlich gewesen wäre, wenn sie anders ausgesehen hätte. Ihm war, als träte er von einem Gemälde zurück, dessen Einzelheiten ihn fasziniert hatten, um es nun als Ganzes zu betrachten.
Die Tür öffnete sich leise, und er wandte sich um und dachte, es sei Browne oder einer von Swinburnes aufmerksamen Dienstboten.
Sie stand da – umrahmt vom Licht aus dem Nebenraum –, Gesicht und Arme vom Feuerschein des Kamins angeleuchtet.
Bolitho wollte ihr entgegengehen, aber sie sagte: »Nein, bitte bleiben Sie, wo Sie sind. Ich habe von Ihrer Verwundung gehört. Sie haben Ihr Leben riskiert, als Sie auf der Straße halfen, meines zu retten.«
Sie näherte sich dem vollen Licht des Kaminfeuers, und ihr Kleid schleifte dabei über den Fußboden. Es war weiß mit gelbem Blume nmuster. Ihr langes, kastanienbraunes Haar war mit einem Band der gleichen Farbe zurückgebunden. Sie bemerkte, daß er sie anstarrte, und erklärte: »Das Kleid gehört mir nicht. Lady Swinburnes Tochter hat es mir geliehen. Mein Gepäck habe ich schon nach London geschickt.« Sie zögerte und streckte dann die Hand aus. »Ich bin in Ihrer und Ihrer Freunde Schuld.«
Bolitho nahm ihre Hand und suchte hilflos nach den rechten Worten. »Gut, daß wir zur rechten Zeit kamen.«
Behutsam machte sie ihre Hand frei und setzte sich. »Sie sind Konteradmiral Bolitho.« Sie lächelte leicht. »Und ich bin Mrs. Belinda Laidlaw.«
Bolitho saß ihr gegenüber. Ihre Augen glichen Cheneys überhaupt nicht. Sie waren dunkelbraun.
Er sagte: »Wir waren auf dem Weg nach London zur Admiralität. Wir kamen gerade von See.« Er bemühte sich, nicht auf sein Bein zu schauen. »Ich hatte das Pech, mich in einem Augenblick aufzurichten, in dem ich mich besser gebückt hätte.«
Sie ging auf seinen mageren Witz nicht
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