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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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was es bedeutete, jemanden zu bewundern, ihm als Lehrer und als Freund zu vertrauen und in ihm einen Beschützer, aber auch einen Schützling zu sehen. Das alles war Monk für Scuff. Stellte er sich vor, dass Durban dasselbe für Monk gewesen war?
    »Scuff«, sagte er sanft, »was immer es ist, ich muss es wissen. Wir werden herausbekommen, ob es wahr ist oder nicht, aber das können wir erst, wenn klar ist, worum es geht und wer was gesagt hat.«
    Scuff schniefte erneut, dann verzog er das Gesicht zu einem Ausdruck unwilliger Konzentration. » Mudlarks , die ich kenne«, begann er. »Taffy – seinen Nachnamen kenn ich nich’, weil er ihn selber nich’ weiß. Potter und Jimmy Mac-Irgendwas. Und Mucker James. Sie alle haben mir erzählt, dass Mr. Durban Jungs beim Klauen von Sachen erwischt hat, die ihnen zwei oder drei Jahre im Coldbath Fields eingebracht hätten; aber er hat bloß geschimpft. Meistens waren das kleine Kinder.«
    »Klein?« Monk spürte, wie ihm innerlich eiskalt wurde, während sich seine Haut erst klamm und dann heiß anfühlte.
    Scuff stand da wie ein Häuflein Elend. »Fünf, sechs Jahre vielleicht. Die meisten haben aus Hunger geklaut oder aus Angst vor dem Mann, der’s ihnen befohlen hatte, wer immer er war.«
    »Sind diese kleinen Jungs noch in der Gegend?«
    »Keine Ahnung. Ich hab keinen von ihnen getroffen.« Scuff setzte eine trotzige Miene auf. »Aber das heißt nich’, dass sie verschwunden sind. Kann auch gut sein, dass sie sich nich’ mehr offen zeigen. Jungs wie sie würde Phillips sich gleich schnappen.«
    »Ja. Ich weiß. Danke, dass du es mir gesagt hast.«
    Scuff schwieg.
     
    Erst am Abend, als Hester in der Küche war, fasste Scuff sich ein Herz und schlurfte, ein flaues Gefühl im Magen und die Fingernägel in die Handflächen gebohrt, zu ihr hinüber, in der Hoffnung, er würde die richtigen Worte finden, bevor Monk selbst mit Hester sprach oder nachschaute, was er trieb.
    Hester stand über den Spülstein gebeugt und wusch das Geschirr fürs Abendbrot ab. Mit zitternden Nasenflügeln holte Scuff noch einmal tief Luft, dann wagte er es. »Miss Hester? Darf ich was sagen?«
    Sie richtete sich langsam auf und nahm die Hände aus der Lauge, drehte sich aber nicht zu ihm um. Ihre Haltung verriet ihm, dass sie zuhörte. Er liebte den Geruch in diesem Raum: warmes Essen und Sauberkeit. Es gab Tage, an denen er ihn überhaupt nicht mehr verlassen wollte.
    »Ja, natürlich«, antwortete sie. »Worum geht es denn?«
    Er steckte die Hände in die Hosentaschen, damit sie seine wei ßen Knöchel nicht sehen konnte, wenn sie sich umdrehte. »Ich hab heute was getan, was … Mr. Monk wehgetan hat, aber das war bestimmt keine Absicht.«
    Nun blickte sie ihn doch an. »Was denn?«
    Jetzt half nichts mehr, außer der Wahrheit. »Ich hab ein paar Jungs, die ich kenn, nach Mr. Durban gefragt, und da hab ich … ziemlich schlimme Sachen gehört.« Er stockte aus Angst, ihr zu viel zu verraten. Wusste sie es nicht sowieso schon? Oft schien sie ja seine Gedanken vorauszuahnen, auch wenn er noch gar nichts gesagt hatte. Manchmal war das sehr angenehm, bei anderen Gelegenheiten aber überhaupt nicht.
    »Ich verstehe. Hast du ihm die Wahrheit über das gesagt, was du gehört hast?«
    »Ja.« Er schluckte. Gleich würde sie ihm sagen, dass er das nicht hätte tun sollen. Das wusste er einfach.
    Sie lächelte, doch ihre Augen waren überschattet von Sorgen, das konnte er sehen. Mit Angst war er wohlvertraut, und er erkannte sie sofort. Ihm wurde regelrecht schlecht.
    »Das hast du richtig gemacht«, versicherte sie ihm. Sie hob die Hand, um ihn zu berühren, überlegte es sich aber wieder anders. Er wünschte, sie hätte die Hand nicht zurückgezogen. Er hätte es schön gefunden, berührt zu werden. Aber warum sollte sie das tun? Schließlich gehörte er nicht wirklich hierher.
    »Sie haben gesagt, dass Mr. Durban Kinder hat laufen lassen, die wegen Diebstahl ins Gefängnis gehört hätten«, berichtete er hastig. »Kleine Jungs, wie Phillips sie nimmt. Sie haben gesagt, dass Mr. Durban kein bisschen besser war. Aber das stimmt nicht, oder?«
    Jetzt war es an ihr, zu zögern, doch dann gab sie sich einen Ruck. »Ich weiß es nicht. Dennoch, wenn sie recht haben, müssen wir uns den Tatsachen stellen. Mr. Monk wird es überstehen, weil wir zusammenhalten werden. Außerdem haben wir nichts Schlimmes getan – höchstens kleine Fehler, wie sie jeder begeht und wie sie jedem verziehen werden.«
    Er

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