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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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warten Sie dort auf mich. Ich gehe kurz in die Paradise Place und komme gleich zurück.«
    Der Schiffer nickte.
    Während sie vom Kai ablegten und auf die Mitte des Stromes zuhielten, setzte sich Monk auf die Bank im Heck. Das Gebaren des Mannes hatte ihm verraten, dass die Nachricht von den Schwierigkeiten der Wasserpolizei sich bereits verbreitet hatte. Allein in diesen wenigen Stunden hatten ihre Macht und Geltung bereits zu schmelzen begonnen.
    Plötzlich erfasste Monk ein Gefühl von Hilflosigkeit, ein be ängstigender Zweifel an seiner Fähigkeit, diese um sich greifende Vernichtung zu beenden. Wie konnte er Mittel und Wege finden, das wachsende Selbstvertrauen der Diebe und Piraten einzudämmen, die Tausende von Männern weiter in Schach zu halten, die sich nur deshalb einigermaßen an die Gesetze hielten, weil sie wussten, dass die Wasserpolizei eine schlagkräftige Ordnungsmacht war und Verbrechen zügig und wirkungsvoll bestraft wurden? Bis zu einem bestimmten Grad spielten diese Kerle nur mit den Muskeln, einfach um zu sehen, wer die stärkeren Nerven hatte. Seit den Tagen von Harriott und Colquhoun hatte die Wasserpolizei die Oberhand behalten. Aber jetzt sammelten sich die Gierhälse längs des Flusses wieder wie Haie, die im Wasser Blut gerochen hatten, gewannen an Stärke, umkreisten ihr Opfer und bereiteten sich auf den Angriff vor.
    Am Ufer angelangt, lief Monk sofort zur Paradise Place. Schon beim Öffnen der Tür rief er, so laut er konnte, nach Scuff. Niemand antwortete. Monk versuchte, sich eine angemessene Strafe zu überlegen, falls der Junge tatsächlich ausgeflogen war, sah aber schnell die Sinnlosigkeit solcher Gedanken ein. Er hatte kein Recht, ihm Befehle zu erteilen, außer sie betrafen Angelegenheiten in seinem Haus. Und doch war Scuff mit seinen ungefähr elf Jahren trotz seiner Erfahrung immer noch ein Kind. Er mochte stark sein und intuitiv das Wissen der Straße aufgesogen haben, aber emotional war er erschreckend leicht verletzbar, so wie jedes andere Kind.
    Schließlich erschien Scuff am oberen Treppenabsatz. Sein Haar war feucht, und er trug ein frisches Hemd, das ihm an den schmalen Schultern zu weit war und über den Hosenbund hing.
    »Ah!«, rief Monk erleichtert. »Ich brauche deine Hilfe. Bist du gerade beschäftigt?«
    »Nein!«, antwortete Scuff eifrig und setzte sich in Bewegung. Dann fiel ihm seine Würde wieder ein, und er wurde langsamer. »Nich’ übermäßig. Was machen wir denn?«
    Monk hatte längst beschlossen, dem Jungen reinen Wein einzuschenken. »Es werden sehr hässliche Dinge über Mr. Durban verbreitet. Jetzt soll sogar offiziell festgestellt werden, dass er Jungen zu Phillips auf das Boot schaffte und genau wusste, was mit ihnen geschehen sollte.«
    »Das is’ doch Blödsinn!«, stieß Scuff angewidert hervor. »So was hätt’ er nie gemacht! Aber was haben die davon – wo er doch tot is’?« Kaum hatte er das gesagt, tat es ihm schon leid, doch es war zu spät, die Worte zurückzunehmen. »Das hab ich nich’ so gemeint«, murmelte er kleinlaut und blickte besorgt zu Monk auf. »Aber wozu? Sie können ihm doch nix mehr tun, selbst wenn es stimmt.«
    »Es ist in der Tat feige, einem Toten die Schuld in die Schuhe zu schieben, der sich nicht mehr dagegen wehren kann«, antwortete Monk mit aller Gefasstheit, zu der er in der Lage war. Er wollte nicht, dass Scuff glaubte, er wäre ungeschickt gewesen. »Außerdem ist das eine raffinierte Methode, sich in Sicherheit zu bringen. Es soll uns von dem ablenken, was wir in Wirklichkeit untersuchen. Aber es wird nichts daran ändern, dass ich die Wahrheit trotz allem herausfinden werde.«
    Scuff verzog skeptisch das Gesicht. »Aber das wird nich’ reichen, um Phillips zu hängen.«
    Plötzlich ging Monk ein Licht auf: Scuff befürchtete, dass die Anschuldigungen zutreffen könnten, und malte sich aus, wie schwer Monk der Verlust seiner Illusionen treffen würde. So suchte er doch tatsächlich nach einem Weg, ihn zu retten. Freilich würde er vor Scham vergehen, wenn er erführe, dass Monk im Bilde war.
    »Nicht direkt«, räumte Monk in beiläufigem Ton ein, der ihn allerdings einige Mühe kostete. »Aber noch mehr geht es mir im Moment darum, Mr. Durbans guten Namen zu retten …« Er hielt inne, als er die Angst in Scuffs Augen bemerkte. »Weil er Kommandant der Wasserpolizei war, fangen die Leute jetzt an zu behaupten, wir seien alle moralisch verkommen, und nehmen sich Freiheiten uns gegenüber heraus. Dem

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