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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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mir erwarten sie ja sowieso, dass ich lüge.« Er lächelte ohne jeden Humor. »Bei Durban war das anders. Mir traut kein Schwein, aber ihm haben sie alle vertraut. Dadurch wird das Ganze zu was völlig anderem. Zu’ner Art Verrat, richtig? Wenn er das Gesetz bricht, is’ das schlimm, sehr schlimm. Glauben Sie mir, Miss, Sie wollen gar nich’ alles über Durban wissen, wirklich nich’. Und Ihr guter Mann genauso wenig. Hat mir zweimal das Leben gerettet. Ja, das hat er. Einmal im Fluss … Oh?« Er zog die Augenbrauen hoch. »Das hat er Ihnen gar nich’ gesagt?«
    Hester starrte ihn hasserfüllt an.
    Sein Lächeln wurde breiter. »Doch, doch, hätte mich ertrinken lassen können, aber er hat mich gerettet. Und dann natürlich noch mal mit dieser Aussage vor Gericht. Ohne sie hätten sie mich bestimmt gehängt. Keine schöne Art, zu sterben, Miss, der Seiltanz. Bestimmt nich’. Sie wollen wirklich nich’ wissen, was Reilly passiert is’, Miss. Und genauso wenig die ganze Wahrheit über Mary Webber. Ah, da kommt Ihre Fähre, die Sie heimbringt. Schlafen Sie gut und kümmern Sie sich morgen um Ihre Klinik und die armen Nutten, die Sie mit aller Macht retten wollen.« Er wandte sich ab und stolzierte davon. Gleich darauf verschluckten ihn die Schatten.
    Vor Wut, aber auch vor Furcht zitternd, verharrte Hester vor den Stufen. Keine einzige von Phillips’ Behauptungen konnte sie widerlegen. Sie fühlte sich so hilflos, und ihr war in dieser Sommernacht so schrecklich kalt, dass sie sich ebenso gut in die dunklen Fluten hätte werfen können.
    Die Fähre stieß gegen die Stufen. Der Ruderer wartete.
    »Wollen Sie jetzt doch aufhören, Miss Hester?«, fragte Squeaky.
    Da sie mit dem Rücken zum Licht standen, konnte sie sein Gesicht nicht sehen. »Kann es denn noch schlimmer werden?«, fragte sie. »Muss nicht alles andere besser sein, als sich damit abzufinden?«
    »Und ob es schlimmer werden kann!«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen. »Sie könnten rauskriegen, dass Durban Reilly umgebracht hat und Phillips es beweisen kann.«
    »Nein, das kann er nicht!«, widersprach sie vehement. »Wenn er das könnte, hätte er es längst getan und hätte nicht darauf hoffen müssen, dass Rathbone uns in Misskredit bringt. Das wäre viel sicherer für ihn gewesen.«
    Mit einem matten Grinsen gab sich Squeaky geschlagen. »Also, wenn Sie wollen, mach ich gern weiter. Diesen Dreckskerl einzubuchten wäre viel schöner, als’ne Flasche Napoleon Brandy runterzukippen.«
    »Mögen Sie denn Napoleon Brandy?«, fragte Hester überrascht.
    »Keine Ahnung, aber ich würd’s gerne rausfinden.«

9
    Am nächsten Morgen schlief Hester lange und war bei weitem nicht so beunruhigt wie sonst, als sie feststellte, dass Monk bereits gegangen war. Er hatte eine Nachricht für sie auf dem Küchentisch hinterlassen. Da auch Scuff nirgends zu sehen war, nahm sie an, dass Monk ihn mitgenommen hatte.
    Doch als sie bei Toast und Tee am Frühstückstisch saß, tauchte plötzlich Scuff mit besorgter Miene in der Tür auf. Er war angezogen und musste bereits unterwegs gewesen sein, denn er hielt eine Zeitung in der Hand. Irgendwie wirkte er unschlüssig, ob er sie ihr geben sollte oder nicht. Hester wusste zwar, dass er nicht lesen konnte, doch sie wollte ihn nicht auch noch darauf aufmerksam machen und in Verlegenheit bringen.
    »Guten Morgen«, sagte sie leichthin. »Möchtest du auch etwas zum Frühstück?«
    »Hab schon was gegessen«, murmelte er und trat zwei Schritte näher.
    »Es gibt keinen Grund, sich keinen Nachschlag zu genehmigen, wenn du noch etwas mehr möchtest«, meinte sie. »Wir haben zwar nur Brot und Konfitüre da, aber die ist vorzüglich. Und natürlich Tee.«
    »Oh.« Seine Augen folgten ihrer Hand, mit der sie sich eine mit Himbeerkonfitüre bestrichene Scheibe Toast an den Mund führte. »Na ja, ein bisschen könnte ich wohl noch vertragen.«
    »Dann komm und setz dich. Ich mache dir etwas zurecht.« Während sie ihr eigenes Toastbrot aufaß, schnitt sie mit der freien Hand noch mehr Scheiben vom Laib herunter und röstete sie im Ofen.
    Dann saßen sie einander schweigend gegenüber und aßen. Scuff bediente sich zweimal bei der Aprikosenkonfitüre.
    »Darf ich bitte einen Blick in deine Zeitung werfen?«, fragte Hester zu guter Letzt.
    »Klar.« Scuff schob sie zu ihr hinüber. »Ich hab sie für Sie gekauft. Aber Ihnen wird nich’ gefallen, was da drinsteht.« Sein Gesicht nahm wieder den besorgten Ausdruck an.

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