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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ausgerechnet das rauben, was ihr die größte Freude im Leben bereitete. Diese Erkenntnis traf sie völlig unerwartet und verblüffte sie ebenso, wie sie sie erschreckte. Es war absurd, aber dank der Arbeit in der Portpool Lane fand sie Freunde, hatte das Gefühl, einer Gemeinschaft anzugehören, geschätzt zu werden und sogar etwas zu bedeuten. Sie durfte nicht zulassen, dass er ihr das einfach wegnahm, nur weil er glaubte, er habe das Recht dazu.
    »Das erstaunt mich«, erklärte sie mit mühsam beherrschter Stimme, auch wenn ihr klar war, dass sie zitterte.
    »Ich möchte nicht länger darüber diskutieren, Claudine«, sagte er kalt. Er sprach sie immer mit ihrem Namen an, wenn er ver ärgert war. »Ich wüsste nicht, was dich daran erstaunen könnte, außer dass ich dir dein Tun zu lange habe durchgehen lassen. Es ist absolut unangemessen.«
    »Es wundert mich, dass du so empfindest.« Sie war jetzt zum Gegenangriff übergegangen, und damit war es für einen Rückzug fast schon zu spät. Sie setzte nach. »Und ich gebe zu: Das ängstigt mich.«
    Seine Augenbrauen schossen nach oben. »Das ängstigt dich? Was für ein dummes Geschwätz. Du wirst allmählich hysterisch. Ich habe lediglich gesagt, dass du dich nicht länger mit einer Klinik für Huren in Verbindung bringen lassen darfst. Vergib mir diesen Ausdruck, aber es ist der einzig zutreffende.«
    »Das ist unerheblich.« Sie wischte seine Bemerkung mit einer Handbewegung beiseite. Sie war vielleicht keine Frau, nach der die Männer sich umdrehten, aber ihre Hände waren wunderschön. »Was dich erschreckt, ist die Tatsache, dass ich mich mit Menschen verbündet habe, die sich öffentlich gegen einen Mann erhoben haben, der mit Kindern handelt, mit kleinen Jungen, um es genau zu sagen, damit bestimmte Herren ihre abstoßenden Gelüste an ihnen befriedigen können. Da wir uns auf die Verwendung zutreffender Ausdrücke geeinigt haben« – sie äffte seinen Ton meisterhaft nach -, »ist die korrekte Bezeichnung dafür Päderastie. Diese wird von allen möglichen Männern ausgeübt, die von bestialischer und verkommener Natur sind, aber dieser eine Mann hat die anderen mit Hilfe des Geldes bewirtet, das größtenteils aus unserer Gesellschaftsschicht stammt.« Sie sah, wie sein ohnehin schon gerötetes Gesicht eine noch dunklere Schattierung annahm. »Und eines dabei ängstigt mich!«, rief sie unbarmherzig mit vor echter Furcht bebender Stimme, die nicht von dem herrührte, was sie ihm an den Kopf warf. »Mich ängstigt, dass du keinen Wunsch verspürst, dich im Kampf dagegen an vorderster Front zu zeigen.«
    Sie sog die Luft ein und ließ sie in einem Versuch, ihr heftiges Zittern unter Kontrolle zu bringen, langsam entweichen. »Solch abartiger Gelüste verdächtige ich dich nicht,Wallace, aber es stört mich mehr als nur ein bisschen, dass du mir verbietest, Mrs. Monk und diejenigen, die an ihrer Seite kämpfen, weiter zu unterstützen. Was werden die Leute davon halten? Diese Angelegenheit wird zwangsläufig noch mehr ins Licht der Öffentlichkeit geraten, als sie es ohnehin schon ist. Darum bin ich mir gar nicht so sicher, ob ich mich dir zuliebe von diesem Konflikt zurückziehen kann.«
    Er starrte sie an, als wären ihr vor seinen Augen Hörner und ein Schwanz gewachsen.
    Sie keuchte vor Aufregung und Angst. Aber solange sie lebte, würde es kein Zurück mehr geben! Sie ahnte, wie Caesar sich gefühlt haben musste, als er den Rubikon überschritt, um mit seiner Armee gen Rom zu marschieren.
    »Bist du sicher, dass es das ist, was du von mir willst?«, fragte sie leise.
    Er starrte sie voller Widerwillen an. »Ich weiß nicht, was in dich gefahren ist. Du bist eine Schande für dein Geschlecht und ziehst all das in den Schmutz, was deine Eltern für dich erhofft haben. Jedenfalls bist du nicht mehr die Frau, die ich einmal geheiratet habe.«
    »Ich verstehe, inwiefern dich das schmerzt.« Sie hatte das andere Ufer des Rubikon erreicht. Jetzt gab es nur noch eine Richtung: vorwärts. »Du bist der Mann, den ich geheiratet habe, und das schmerzt wiederum mich, wie du jetzt vielleicht auch verstehst. Uns bleibt nur wenig übrig, außer das Beste daraus zu machen. Ich werde tun, was ich für richtig halte, das heißt, ich werde weiterhin den Menschen in Not helfen und mit allem, was mir zur Verfügung steht, dafür kämpfen, dass Männer wie Jericho Philipps sich vor dem Gesetz verantworten müssen. Wie ich das sehe, liegt es in deinem besten Interesse,

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