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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Zunge. Plötzlich war er äußerst peinlich berührt.
    »Soll das heißen, dass Sie nicht helfen werden, Squeaky?«, fragte Hester mit einem dünnen Lächeln.
    »Na ja … nich’ unbedingt … Nein, das meine ich nich’ … Aber trotzdem …«
    »Aber trotzdem hat sie Sie so weit gebracht, dass Sie genau das gesagt und Ihren Rückzug abgebrochen haben.«
    »Schon!« Er war jetzt in höchsten Nöten. Dann kroch ganz langsam ein listiges, halb amüsiertes Grinsen über seine Lippen. »Das is’ ihr wohl tatsächlich gelungen, hm?« Er schniefte. »Trotzdem bleib ich dabei, dass man sie nich’ auf die Straße rauslassen kann. Viel zu unsicher.«
    »Sie will aber gar keine Sicherheit.« Der letzte Rest von Hesters Lächeln verlor sich. »Sie will helfen, dazugehören. Aber man kann nirgendwo dazugehören, wenn man mit den Annehmlichkeiten nicht auch die Schattenseiten akzeptiert. Sie ist sich dessen sehr wohl bewusst, Squeaky. Und wir werden sie nicht aussperren.«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie haben keine Ahnung«, meinte er betrübt. »Dieser Rathbone hat Sie ganz richtig eingeschätzt: gro ßes Herz, aber kein Verstand. Gott steh uns bei! Wie, zum Kuckuck, soll ich auf Sie beide aufpassen, wenn diese halbe Portion derart unbedarft is’?«
    Hester hatte schon eine scharfe Zurechtweisung auf der Zunge, entschied sich dann aber dagegen. Squeakys Worte drückten für seine Verhältnisse fast schon Zuneigung aus, und das war unschätzbar wertvoll. Vorsichtig schenkte sie Tee ein, ihm zuerst. »Es wird schwer werden«, stimmte sie ihm zu. »Aber Sie werden das schon schaffen. So, und jetzt wollen wir anfangen.«
     
    Die Entscheidung, wen sie als Erstes aufsuchen sollten, fiel nicht schwer. Ebenso einfach war es, den Mann aufzutreiben und sich die richtigen Worte zurechtzulegen. Hester war froh, dass sie diese Aufgabe allein bewältigen konnte. Squeaky würde sich weit sinnvoller bei der Fahndung nach seinen zwielichtigen Freunden einsetzen lassen.
    Sutton war Rattenfänger von Beruf und stolz darauf, dass einige der besten Familien von ganz London seine Dienste in Anspruch nahmen. Zu seinem Kundenstamm zählten sogar Herzoginnen, doch er war sich nicht zu schade, sich auch um die Nöte bescheidenerer Kunden zu kümmern. So hatte er die Klinik in der Portpool Lane in einer der verzweifeltsten Phasen von Hesters Leben von der Rattenplage befreit. Unter widrigsten Umständen waren sie Freunde geworden, und es war erst wenige Monate her, dass sie sich zusammen mit Monk in die Kanalisation von London begeben hatten, in einer hochgefährlichen Mission, die Sutton und seinen Terrier Snoot fast das Leben gekostet hätte.
    Da Hester sich für ihre Arbeit in der Klinik immer sehr schlicht kleidete, fiel es ihr nicht schwer, fast unbemerkt durch die schmalen Straßen zu Suttons Bleibe zu gelangen, wo sie von der Haushälterin erfuhr, in welcher Gegend er heute seinen Geschäften nachging. Sie traf ihn in einem seiner Lieblingswirtshäuser an, dem »Grinning Rat«, wo er häufig zu Mittag speiste. Es unterschied sich in nichts von den übrigen Gaststätten, wenn man von dem Schild absah, das mit einem leichten Knarzen im Wind hin und her schwang. Zu auffällig war die darauf abgebildete Ratte mit ihrem Ausdruck diabolischer Schadenfreude in ihrem bunt bemalten Gesicht. In grüne Gewänder gehüllt, stand sie aufrecht auf den Hinterbeinen und grinste die Leute mit gefletschten Zähnen an.
    Unwillkürlich erwiderte Hester das Grinsen, ehe sie eintrat, angestrengt darum bemüht, sich hier ganz und gar heimisch zu geben. Sofort war sie von Lärm eingehüllt. Männer lachten und redeten laut durcheinander, Gläser und Krüge klirrten, Leute schlurften über den mit Sägemehl bedeckten Boden, und irgendwo im Keller wurden Fässer gerollt. Ein Hund kläffte aufgeregt. Es hatte keinen Zweck, sich nach Sutton zu erkundigen. Sie musste einfach Ausschau halten.
    Es dauerte mehrere Minuten, bis sie sich zwischen den eng beieinanderstehenden Männern hindurchgedrängt hatte, die nur im Sinn hatten, ihren Durst zu löschen und die neuesten Nachrichten zu erfahren. Sie zwängte sich an äußerst korpulenten Bäckern mit immer noch von Mehl starrenden Ärmeln und Schürzen vorbei und wäre beinahe einem gepflegten, schlanken Mann auf den Schoß geplumpst, der allein an einem Tisch saß und ein mit Käse und Essiggurken belegtes Sandwich aß. Vor ihm stand ein Krug Apfelmost, und zu seinen Füßen lag ein kleiner Hund mit weiß und braun

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