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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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murmelte er widerstrebend. »Mr. Durban selbst hat auch ganz schön gepfuscht. Sie haben sich darauf verlassen, dass seine Ergebnisse alle stimmen, und haben darum nicht so sorgsam darauf geachtet, Ihre Beweise so gründlich zu verschnüren, dass nicht mal ein gerissener Halunke wie Rathbone sie zerpflücken kann. Aber was war mit Mr. Durban, hm? Warum hat er das wohl vergeigt?«
    »Weil …« Sie wollte schon entgegnen, dass Durban doch nicht ahnen konnte, wie raffiniert Rathbone zu Werke gehen würde, aber im selben Moment wurde ihr klar, dass das keine Antwort war. Er hätte auf alles und jeden gefasst sein müssen. »Auch er hat das mit viel Herzblut betrieben«, murmelte sie stattdessen.
    Sutton schüttelte den Kopf. »Das ist nicht gut genug, Miss Hester, und das wissen Sie auch. Wie ich gehört hab, hat er das Ganze zwischendurch abgebrochen und dann noch mal von vorn angefangen. Sind Sie wirklich sicher, dass Sie den Grund dafür erfahren wollen?« Seine Stimme wurde sanfter. »Was wissen Sie denn wirklich über ihn?«
    Sie schwieg. Es hatte keinen Sinn, auf ihrer Gewissheit zu beharren, dass Durban ein guter Mensch gewesen war. Sie wusste es nicht, sondern glaubte es nur, und auch das bloß deshalb, weil Monk es glaubte.
    Sutton seufzte. »Sind Sie sich also wirklich sicher?« Er argumentierte nicht, sondern wartete einfach, wollte ihr Zeit und Raum für einen Rückzug lassen, falls sie das nötig hatte.
    Aber aufzugeben hatte keinen Zweck, denn Monk würde weitermachen, unabhängig davon, ob sie ihm dabei half oder nicht. Er konnte jetzt nicht mehr loslassen. Sein Glauben an sich selbst und seinWert als Freund hingen davon ab, dass Durban tatsächlich der Mann gewesen war, für den er ihn gehalten hatte. Und wenn seine Überzeugungen sich am Ende als Illusionen entpuppten, würde er umso dringender auf Hesters Stärke angewiesen sein. Jetzt nicht an seiner Seite zu stehen hieße, ihn bitter im Stich zu lassen.
    »Gewissheit ist besser«, sagte sie schließlich.
    Sutton stieß einen Seufzer aus, ehe er – immer noch im Stehen – sein Sandwich aufaß und sein Glas leerte. »Dann ziehen wir wohl besser los.« Er stöhnte resigniert. »Snoot, bei Fuß.«
    »Was ist mit Ihren Ratten?«, fragte Hester.
    »Es gibt Ratten … und Ratten«, lautete seine rätselhafte Erwiderung. »Ich nehm Sie jetzt zu Nellie mit. Was sie nicht weiß, ist es nicht wert, dass man sich darum kümmert. Folgen Sie mir einfach. Und achten Sie darauf, die Augen offen und den Mund geschlossen zu halten. Die Gegend, wo wir hingehen, ist nicht schön. Eigentlich dürfte ich Sie gar nicht mitnehmen, aber ich weiß, dass Sie darauf bestehen werden, und für einen Streit, den ich nicht gewinnen kann, hab ich keine Zeit.«
    Mit einem düsteren Lächeln trat sie ins Freie und begleitete ihn durch die enge Straße. Zwischen ihnen trottete der Hund. Wovon Nellie leben mochte, fragte sie ihn nicht, und von ihm kamen keine weiteren Informationen.
    Sie stiegen in einen Pferdeomnibus ostwärts nach Limehouse. Nachdem sie dort eine weitere halbe Meile durch ein Gewirr von verschlungenen Wegen und Kopfsteinpflastergassen marschiert waren, die so eng bebaut waren, dass die vorstehenden Hausdächer einander fast in der Mitte berührten, verlor Hester bald jede Orientierung. Sie konnte nicht einmal beurteilen, ob der Fluss mit der Flut anstieg oder sich mit der Ebbe zurückzog – zu viele Gerüche schwebten durch das dicht bevölkerte Viertel: Abwässer, kalter Rauch, Pferdemist, die penetranten süßlichen Ausdünstungen einer nahe gelegenen Brauerei.
    Nellie war eine kleine, gepflegte Frau, von oben bis unten in Schwarz gekleidet, das schon vor langer Zeit zu allen möglichen Grauschattierungen ausgebleicht war. Auf ihrem Haar, das an den Seiten in absurden Kleinmädchenlöckchen über ihr faltiges Gesicht fiel, saß ein Witwenhut mit Trauerschleier. Ihre kleinen Augen verengten sich im hereinfallenden Licht zu Schlitzen und blitzten jäh auf, als ihr Blick dem von Hester begegnete. Wahrscheinlich konnte sie auf zwanzig Schritte Abstand eine Nadel auf dem Boden erspähen.
    Sutton stellte die Frauen einander nicht vor, sondern versicherte Nellie lediglich, dass Hester in Ordnung war und wusste, wann Sprechen und wann Schweigen angebracht war.
    Nellie grunzte nur. »Schön für sie. Was willste?« Die Frage war ausschließlich an Sutton gerichtet. Hester war bereits abgehandelt.
    »Ich würde gern ein bisschen was über ein paar Leute von der

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