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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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gemustertem Fell.
    »Mr. Sutton«, sagte sie atemlos und richtete sich peinlich berührt wieder auf. Ihr Haar hatte sich wie so oft aus den Spangen gelöst, sodass sie es kurzerhand hinter die Ohren schob. »Was für eine Erleichterung, dass ich Sie gefunden habe!«
    Er erhob sich höflich, auch deshalb, weil kein zweiter Stuhl in der Nähe war, auf den sie sich hätte setzen können. Seine Miene verriet ihr sogleich, dass er bereits von dem Freispruch für Phillips gehört hatte. Einerseits ersparte ihr das längere Erklärungen, doch andererseits wäre es ihr lieber gewesen, die Nachricht hätte sich nicht wie ein Lauffeuer verbreitet. Wusste am Ende schon ganz London Bescheid?
    »Kann ich Ihnen was besorgen, Miss Hester?«, fragte Sutton widerstrebend.
    »Nein, danke, ich habe schon gegessen«, antwortete sie. Das entsprach zwar streng genommen nicht der Wahrheit, aber sie wusste, dass sie es sich nicht leisten konnte, mitten an einem Arbeitstag Zeit zu vergeuden. Außerdem musste sie ihn um genügend Gefälligkeiten bitten und wollte seinen guten Willen nicht schon jetzt unnötig strapazieren.
    Er blieb, sein Sandwich in der Hand, vor ihr stehen. Snoot starrte es voller Hoffnung an, ohne die erwünschte Beachtung zu finden.
    »Essen Sie ruhig weiter«, forderte Hester Sutton auf. »Es wäre mir äußerst unangenehm, Ihnen das Mittagessen zu verderben. Trotzdem muss ich Sie um Ihre Hilfe bitten. Wäre das möglich …?«
    Er nickte mit grimmiger Entschlossenheit, als hätte er das Unwetter, das sich über seinem Kopf zusammenbraute, schon erwartet. »Sie wollen diesen schleimglatten Dreckskerl von Phillips doch noch zur Strecke bringen, nicht wahr.« Das war eine Feststellung, keine Frage. »Tun Sie das nicht, Miss Hester.« Sein Ton war besorgt. »Das ist ein übler Kerl! Er hat überall Freunde, Leute, denen Sie oder ich nicht über den Weg laufen möchten. Warten Sie lieber ab. Eines Tages macht er einen Fehler, und dann schnappt ihn irgendjemand. Er ist ja praktisch für den Galgen geboren, dieser Kerl.«
    Hester schüttelte den Kopf. »Mir ist egal, ob sie ihn hängen oder nur im Coldbath Fields einsperren und den Schlüssel wegwerfen. Hauptsache, es geschieht bald, um nicht zu sagen, sehr bald. Bevor er Gelegenheit hat, noch mehr Kinder oder irgendjemand anders umzubringen.«
    Sutton musterte Hester aufmerksam und wartete so lange mit einer Entgegnung, dass sie ganz nervös wurde. Er hatte blaue Augen, die von einer Klarheit waren, als könnte er durch alles hindurchsehen. Unter seinem Blick fühlte sie sich in diesem Moment besonders verletzlich. Sie musste sich förmlich zwingen, nicht mit noch mehr Erklärungsversuchen herauszuplatzen.
    »Sie wollen tatsächlich noch einmal alle Indizien sichten?«, vergewisserte er sich mit angespannter, beunruhigter Miene. »Sind Sie sich da ganz sicher?«
    Trotz der Hitze in diesem gedrängt vollen Raum lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Wovor wollte er sie warnen?
    »Wissen Sie etwas Besseres?«, entgegnete sie. »Wir haben einen Fehler gemacht, genauer gesagt: mehrere. Aber diese Irrtümer haben sich auf die Einordnung einzelner Leute bezogen, nicht auf das Ergebnis, dass Jericho Phillips Kinder missbraucht und ein Mörder ist.«
    »Ihr Fehler war, dass Sie nicht gesehen haben, wie lang sein Arm ist«, verbesserte Sutton sie und biss in sein Sandwich. »Sie werden sehr viel vorsichtiger sein müssen, wenn Sie einen derart gerissenen Schurken wie ihn fangen wollen. Und diesmal wird er Sie im Blick behalten.« Seine Augen verengten sich vor Sorge.
    Erneut befiel sie Angst. Sie kämpfte sie zurück. »Sie glauben, dass er es auf mich abgesehen hat? Wäre das nicht der Beweis, dass wir recht haben? Wäre es nicht sicherer für ihn, uns einfach unsere Kräfte vergeuden zu lassen, ohne irgendwelche Beweise zu finden?«
    »Sicherer wohl«, gab Sutton zögernd zu. »Aber er könnte sich darüber ärgern und dann trotzdem zuschlagen, wenn Sie ihm zu nahe kommen und ihm die Kunden abschrecken. Und das ist noch nicht alles. Da gibt es auch noch zu bedenken, dass ich Sie vor etwas ganz Bestimmtem nicht schützen kann, weil niemand das kann.«
    »Was ist das?«, fragte sie. Zu Sutton hatte sie blindes Vertrauen. Er hatte ihr mehr als einmal seine Freundschaft und seinen Mut bewiesen. Wenn er etwas fürchtete, dann war es wirklich gefährlich.
    »Nach allem, was ich gehört habe, sind Sie und Mr. Monk nicht die Einzigen, die ein bisschen schlampig zu Werke gegangen sind«,

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