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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Fig geschlossen war, musste ihm klar sein, auch wenn er so taktvoll war, das Thema ihr gegenüber nicht zu erwähnen.
    In einvernehmlichem Schweigen fuhren sie mit dem Pferdeomnibus, Snoot wie immer zu Suttons Füßen. Während sie sich Limehouse und dem Drucker näherten, den ihr Sutton als nächstes Ziel angekündigt hatte, betrachtete Hester vom oberen Deck aus die dicht nebeneinander errichteten Häuser mit den fleckigen Mauern und den durchhängenden Dächern. Mit den Gedanken war sie allerdings woanders. Sutton hatte ihr schon bei so vielem geholfen, und sie wusste, dass er auch jetzt tun würde, was er konnte. Er würde Gefälligkeiten einfordern, die andere ihm schuldeten, seinerseits um Hilfe bitten und den ganzen Tag lang seine eigene Arbeit vernachlässigen, nur um Hester bei ihrer Suche zu helfen. Sie beide verband eine Freundschaft aus der dunkelsten Zeit, die Hester je erlebt hatte, als sie gemeinsam gegen einen Feind kämpften, der schon einmal ein Viertel der Menschheit getötet hatte.
    Doch Sutton vermochte nicht zu benennen, was es war, das sie zu finden oder zu beweisen hoffte. Sie konnten nichts ungeschehen machen, weder die Fehler im Prozess gegen Phillips noch die Tatsache, dass Rathbone ihn verteidigt hatte. Vielleicht gelang es ihnen, zu klären, warum die Wahl auf ihn gefallen war – wenn es denn überhaupt eine Wahl gewesen war und nicht eine Notwendigkeit. Aber dann mussten sie damit rechnen, dass die Gründe strengster Vertraulichkeit unterlagen, sodass sie vielleicht für immer im Verborgenen bleiben würden. Und war das überhaupt so wichtig? Konnten sie Rathbone denn nach all den Schlachten, die sie zusammen geschlagen hatten, nicht mehr vertrauen?
    Während sie diese Frage für sich formulierte, erkannte Hester zu ihrem Schrecken, dass die Antwort nur lauten konnte: Nein, sie hatte kein Vertrauen zu ihm; sonst hätte sie erst gar nicht darüber nachgedacht. Vor einem Jahr war alles noch ganz anders gewesen. Hatte ihn seine Ehe mit Margaret Rathbone wirklich so sehr verändert? Oder hatte sie lediglich einen anderen, einen schwächeren Aspekt seines Charakters nach oben gekehrt?
    Oder war womöglich sie nicht mehr dieselbe? Sie war nie in Rathbone verliebt gewesen. Ihre Liebe hatte immer Monk gegolten, auch wenn sie bisweilen daran gezweifelt hatte, dass er sie je lieben oder glücklich machen würde. Mehr noch, sie hatte es sogar für unmöglich gehalten, dass er überhaupt den Wunsch haben könnte, es zu versuchen. Dennoch hatte sie immer eine tiefe Freundschaft für Rathbone empfunden und ihn als grundanständig eingeschätzt. Wenn sie sich hierin, aus welchen Gründen auch immer, in ihm getäuscht hatte, konnte sie ihm dann nicht vergeben? War ihre Freundschaft zu ihm so seicht, dass ein einziger Fehler sie beenden konnte? Freundschaft musste doch sicher einen höheren Wert haben, sonst war sie kaum mehr als eine Annehmlichkeit.
    Der Omnibus hielt wieder an, und noch mehr Leute stiegen ein, um dicht aneinandergedrängt im Gang stehen zu bleiben.
    Und wie war das mit Monks Loyalität Durban gegenüber?, überlegte Hester weiter. Sie musste so stark sein, dass sie sogar die Wahrheit unterdrückte. Hester empfand den verweifelten Wunsch, Monk vor seiner – wie sie fürchtete – unaufhaltsamen Desillusionierung zu schützen. Es gab Momente, in denen sie sich wünschte, nicht zu wissen, warum Rathbone Phillips verteidigt hatte. Aber die verflogen wieder. Ihr besseres Ich verachtete die Schwäche, die Unwissen oder – schlimmer noch – Lügen allem anderen vorzog. Sie würde nie wollen, dass jemand, der ihr am Herzen lag, ein falsches Bild von ihr liebte und sich weigerte, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Konnte es eine schlimmere Form der Einsamkeit geben als diese?
    Sie erreichten die Endhaltestelle und stiegen aus. Von dort waren es noch gut eineinhalb Meilen durch die belebte Hauptstra ße, und Hester musste hinter Sutton und Snoot hertrotten, weil der Fußweg so schmal war, dass man nicht nebeinandergehen konnte, ohne mit entgegenkommenden Passanten zusammenzustoßen. Unablässig drehte sich Sutton nach ihr um und vergewisserte sich, dass er sie in dem Gewühl nicht verloren hatte.
    Schließlich blieb Sutton neben dem Durchgang zu einer Sackgasse vor einer niedrigen Tür stehen. Sofort setzte sich Snoot auf die Hinterbeine. Nachdem Sutton geklopft hatte, dauerte es eine Weile, bis ihnen ein buckliger Mann mit einem freundlichen Gesicht öffnete. Er begrüßte Sutton und den

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