Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller
durch Gras und Brombeergestrüpp. Mein alter Freund Fergie schlurfte um die Ecke und blieb auf halber Strecke zum Wäldchen stehen. Er hielt eine Schrotflinte mit abgesägten Läufen in der Hand. Eine solche Waffe ließ sich leicht am Körper verbergen und entfaltete in einem Raum voller Menschen eine erhebliche Wirkung, war jedoch nutzlos, wenn man jemanden aus einer Distanz von mehr als zehn Metern gezielt töten wollte, wie ich aus Erfahrung wusste. Grund war, dass sich der Schrot trichterförmig verteilte. Weh tat es trotzdem, wenn man etwas von der Ladung abbekam.
Beiläufig blickte Fergie sich um, ehe er sich eine Zigarette ansteckte. Offenbar langweilte er sich. Er trug Hosenträger und hatte die Ärmel seines Hemds hochgekrempelt. Um das Bild des fröhlichen Landmanns abzurunden, fehlte eigentlich nur noch, dass er sich als Sonnenschutz ein Taschentuch um den Schädel knotete.
Nach etwa zehn Minuten wechselte er den Standort, kehrte jedoch nach einer knappen halben Stunde zurück. Ein Schema, das sich wiederholte, bis ihn nach einer Stunde sein Kumpel ablöste – der Kerl, der mich zusammen mit Fergie von der Jeanie Deans aus ins Meer befördert hatte. Den ganzen Nachmittag lang wechselten die beiden als Wachposten ab.
Doch gegen 17 Uhr änderte sich die Situation. Von der Vorderseite des Farmhauses drangen Stimmen und nervtötendes Hundegebell zu mir herüber. Dann knirschte Kies und Dermot Slattery tauchte auf, gefolgt von einem rabiat wirkenden Spürhund, den er an der Leine führte. Die Rasse konnte ich zwar nicht identifizieren, aber bei der jährlichen Landwirtschaftsausstellung in Birmingham hätte er sicher keine Chancen auf einen Pokal gehabt.
Es schien sich um eine unentschlossene Mischung aus Deutschem Schäferhund, Windhund und Retriever zu handeln, auffallend groß gewachsen, mit scharfem Gebiss und wild herumirrenden Augen. Dermot, der einen Stock dabeihatte, bückte sich und machte die Leine los, woraufhin die Töle kläffend um ihn herumsprang. Dann schleuderte er den Stock direkt in meine Richtung, und das verfluchte Tier raste auf mich zu. Zum Glück war Dermot kein besonders guter Werfer: Der Stock blieb auf nicht mal halber Strecke zu den Bäumen liegen.
Nachdem die beiden Leibwächter sich zu Dermot gesellt hatten, wechselten sich die drei Männer mit dem Stöckchenwerfen ab, bis der Hund Schaum vor dem Mund hatte und einen derart wahnsinnigen Blick, als machte er Werbung für Tollwut. Jetzt wusste ich, wie meine Chancen standen: eins zu vier, vorausgesetzt, Gerrit hatte sich mit einem guten Buch nach drinnen verzogen. Eins zu fünf, wenn man diesen Fido auf vier Beinen mitzählte.
Dermot schien sich inzwischen zu langweilen, denn er drehte sich um und klopfte an ein Fenster. Einige Minuten später tauchte eine schwerfällige grauhaarige Frau mit einem Tablett auf, das mit drei dunklen Flaschen und Biergläsern gefüllt war. Ich fragte mich, ob es sich wohl um Lady Slattery handelte. Sie stellte das Tablett auf dem Tisch ab und überließ es den Männern, sich das Bier einzuschenken. Während ich zusah, wie sie das dunkle Gebräu hinunterstürzten, fiel mir auf, wie hungrig und durstig ich war. Ich nahm einen Schluck aus meiner Wasserflasche und beneidete sie um ihr kühles Ale. Ich hatte solche Situationen – die Ruhe vor dem Sturm – schon häufig erlebt. Doch diesmal fühlte es sich irgendwie anders an, schließlich ging es um eine persönliche Abrechnung.
Als das Tageslicht schwand, kehrte ringsum Stille ein. Dermot und sein verrückter Hund waren wieder ins Haus zurückgekehrt und selbst die Leibwächter offenbar verschwunden. Gingen sie davon aus, dass nach Anbruch der Dunkelheit niemand einen Angriff wagte?
Ich rappelte mich auf und zog mich ins tiefe Gras zurück, um einige Dehnungsübungen zu machen. Mein Körper fühlte sich nach dem langen Stillhalten ziemlich taub an. Nach einer sorgfältigen Prüfung der Waffen näherte ich mich im Kriechgang dem Schuppen zu meiner Linken und machte mir dabei den Schutz der Bäume zunutze.
Ich erreichte den Punkt, an dem der Schuppen genau zwischen mir und dem Haus lag, nutzte die Deckung, um über die Wiese zu rennen, und baute mich vor der hinteren Schuppenwand auf. Vorsichtig lugte ich um die Ecke. Als ich nichts Auffälliges sah und hörte, huschte ich über den knirschenden Kies weiter zum Hintereingang.
Mit heftig pochendem Herzen wartete ich darauf, dass jemand etwas brüllte oder mir mit einer Schrotflinte den Schädel
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