Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller
sicherlich nicht dem Zweck dienten, daran Wildbret aufzuhängen. Meine bösen Vorahnungen wurden dadurch bestätigt, dass ich auf einem Holztisch an der Wand zusammengerollte Stricke und Ketten entdeckte. Vervollständigt wurde die abstoßende Szenerie durch eine seltsame Vorrichtung, die dem hölzernen Pferd ähnelte, über das wir beim Sporttraining in der Armee springen mussten. Es bestand aus zwei groben A-förmigen Gestellen, die durch Rundholz etwa auf Taillenhöhe miteinander verbunden waren. Darüber baumelte eine dünne Matte, ebenfalls mit Flecken übersät.
In einem Anflug von Übelkeit musste ich würgen, wich aus dem Raum zurück, flüchtete durch den Gang nach draußen in den Hinterhof und schnappte nach Luft. Als mir der Mageninhalt hochkam, torkelte ich zum Gebüsch hinüber, sank auf die Knie und kotzte mir die Seele aus dem Leib, bis die Krämpfe aufhörten. Schweißüberströmt kehrte ich zur Holzveranda zurück und setzte mich hin, bis der Schweiß auf meinem Körper abgekühlt war. Nach und nach legte sich auch der Druck hinter meinen Augen. Ich zündete mir zum Runterkommen eine Zigarette an.
Schon lange hatte ich gerätselt, wo man Rory eingesperrt hatte, ehe sein missbrauchter kleiner Körper im Glasgower Kohlenkeller aufgetaucht war. Dieser Raum deckte sich mit meinen Vorstellungen. Es stand zu befürchten, dass man Fionas Jungen hier missbraucht, misshandelt und schließlich getötet hatte. Und wenn diese Vermutung zutraf, war er nicht der Erste gewesen. Dafür wirkte diese Ansammlung von Folterinstrumenten viel zu durchdacht.
Gerrit Slattery steckte dahinter. Er hätte vermutlich auch einen perfekten KZ-Kommandanten abgegeben und seine Arbeit dort freudig und voller Stolz erledigt. Und sich nebenbei an seinen »perversen Vergnügungen«, wie Mrs. Slattery es so diplomatisch nannte, aufgegeilt.
Es war für ihn ungemein praktisch, dass er den Clyde direkt vor der Haustür hatte: Ein paar Stricke und Gewichte – schon waren sämtliche Spuren beseitigt. Die ideale Möglichkeit für ihn, sich seiner Feinde zu entledigen und dabei noch Spaß zu haben. Ein idealer Ort, an dem er die entführten kleinen Jungen gefangen halten und missbrauchen konnte, ehe er ihre gepeinigten Körper im Fluss versenkte. Hatte er auch die lästige Anwältin hierhergebracht, deren Vater ihm ein ständiger Stachel im Fleisch gewesen war? Um sie zu bestrafen, sie um ihr Leben oder auch um ihren Tod winseln zu sehen, ehe er den schmalen Körper mit Blei beschwerte und ins trübe Wasser warf?
Aber wieso hatte er Rorys Leichnam nicht auf die gleiche Art und Weise »entsorgt«? Warum hatte er ihn ans Tageslicht gezerrt? War irgendjemand ihm auf die Schliche gekommen? Hatte selbst die Glasgower Polizei Lunte gerochen? Möglich, dass Gerrit einen Sündenbock gebraucht hatte. Jemanden, auf den die Gesellschaft leicht verzichten konnte, jemanden, der den Kopf für ihn hinhielt, bis sich die Lage wieder beruhigte. Dieser gnadenlose Bastard war offenbar auf die perverse Idee gekommen, dem armen alten Hugh den Mord an Rory in die Schuhe zu schieben.
Ich rauchte noch eine Zigarette, ging zum Wagen zurück, wendete und fuhr wieder Richtung Glasgow zur Fähre, die in Erskine ablegte. Unterwegs hielt ich an einer Telefonzelle an, wählte 999 und sagte der Polizei, wo sie hinfahren und wonach sie suchen sollte. Außerdem empfahl ich ihr, einen Forensiker von der Glasgower Universität mitzubringen, damit er die Flecken identifizieren und Fingerabdrücke sichern konnte. »Es dürfte vielleicht auch nützlich sein«, schloss ich, »später ein Boot und einen Froschmann dorthin zu bestellen.«
Ich überquerte den Clyde und fuhr in westlicher Richtung weiter nach Ardrossan, um dort eine weitere Fähre zu nehmen. Mit einer Jahreskarte oder einem eigenen Boot hätte ich sicher ein Vermögen sparen können.
Im Grunde war der Abstecher nach Dumbarton verschwendete Zeit gewesen. Gut möglich, dass Gerrit Slattery mittlerweile so viel Abstand und Wasser wie möglich zwischen sich und den Tatort gebracht hatte, um seiner gerechten Strafe zu entgehen. Dann war er vielleicht längst über alle Berge und auch nicht mehr auf Arran zu finden. Wenigstens hatte ich bei der Durchsuchung seiner »Räuberhöhle« auf dem Festland nicht allzu viel Zeit verloren. Für die Suche auf der Insel musste ich aufgrund der zeitraubenden Hin- und Rückfahrt mindestens einen Tag einkalkulieren. Immerhin wusste ich diesmal, wo auf Arran ich nachsehen und was
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