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Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller

Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller

Titel: Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Ferris
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dass die Polizei ihn festnahm, weigerte sie sich trotz des Veilchens am Auge und des Blutergusses am Mund beharrlich, gegen ihn auszusagen. Stattdessen schleppte sie ihn von der Wache nach Hause, wo der Kreislauf von vorn begann.
    Trotzdem bewahrten sich diese sturköpfigen und stolzen Frauen ihre Träume. Sie klammerten sich an die Illusion, eines Tages aus den Gorbals wegzuziehen. Daran, ein winziges Haus zu kaufen, das allein ihrer Familie gehörte – vielleicht an der Küste, in Irvine oder Saltcoats. Und wenn sie selbst es Zeit ihres Lebens nicht fertigbrachten, dann vielleicht eines der Kinder, das einen ordentlichen Beruf erlernte und die Gorbals endgültig hinter sich ließ. Dann würden sie den Nachwuchs eines Tages in dessen eigenem Häuschen besuchen können. Eine wunderbare Vorstellung!
    Ich fragte mich, ob und wie sich Fiona an die Gorbals gewöhnt hatte. Würde sie unter den jetzigen Umständen dort wohnen bleiben?
    Wir Protestanten besuchten die Kirk, die Katholiken die Chapel. In den Gorbals war die katholische Kirche aus dem gleichen roten Sandstein errichtet worden wie alle anderen Gebäude. Und auch beim Gotteshaus hatte sich die Fassade aufgrund von Dreck und Ruß in der Luft, den die Schornsteine der Mietskasernen, Werften und Fabriken großzügig verteilten, mit einem schwärzlichen Film überzogen. Die Hochöfen der Eisenhütte Dixon’s Blazes, nicht einmal zwei Kilometer von den Dorsals entfernt, jagten rund um die Uhr so viel Feuer und Schwefel aus dem Schornstein, dass es ausreichte, um die Slums rund um Hutchesontown Woche für Woche mit einer zweieinhalb Zentimeter dicken Schmierschicht zu bedecken.
    Doch selbst wenn man sich den Dreck wegdachte, wies die katholische Kirche nicht die geringste Ähnlichkeit mit einer Kathedrale auf. Eigentlich war sie nichts anderes als ein simpler Steinhaufen mit einem Kreuz auf dem Spitzdach und ein paar reichlich gewöhnlichen Buntglasfenstern.
    Der Innenraum übte allerdings eine völlig andere Wirkung auf mich aus. Als kleiner Junge, der von der presbyterianischen Kirche her nur die Nüchternheit schmucklosen Holzes und roh verputzter Wände kannte, hatte ich den Anblick von blutbefleckten Ikonen und flackernden Messekerzen stets als überaus aufregend empfunden. Ich verglich den Raum mit einer verzauberten Grotte. Allerdings erinnerten mich die blutrünstigen Szenen auf den leuchtenden Buntglasscheiben auch ein wenig an die Abenteuer in Peter Pans Nimmerland.
    Warum zieht das Leiden die Gottesfürchtigen wohl derart an? Wir erschauern bei Geschichten über die Priester der Azteken und deren Hang zu blutrünstigen Opfern. Aber das blutige Herzstück aller christlichen Glaubensrichtungen ist die Vorstellung, dass Gott von seinem Sohn verlangte, sich auf die wohl qualvollste Weise zu opfern. Ich weiß noch, dass man mir in der Sonntagsschule der christlichen Boy’s Brigade – metaphorisch gesprochen – die Ohren lang gezogen hatte, als ich es wagte, eine Stelle in der Heiligen Schrift in Zweifel zu ziehen. Wie hieß es dort gleich wieder? Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Demnach trug Gott also höchstpersönlich dafür Sorge, dass sein Sohn zum Ergötzen der versammelten Menschenmenge am Kreuz verblutete?! Mit einer Kopfnuss brachte mich der Pfarrer damals zum Schweigen und versicherte mir, ich würde es später schon noch verstehen, vielleicht sei ich jetzt noch zu jung dafür.
    All das ging mir durch den Kopf, während ich das Schiff der katholischen Kirche nervös durchquerte. Sollte ich laut rufen oder besser noch ein inbrünstiges Halleluja schmettern, um auf mich aufmerksam zu machen? Abgesehen von den aufdringlichen Gespenstern meiner religiösen Vergangenheit schien sich hier niemand aufzuhalten.
    Vor dem Altar blieb ich stehen und kam mir sofort wie ein armer Sünder vor (was zeigt, wie nachhaltig die religiöse Indoktrination wirkt). Jesus, der über mir baumelte, riet mir auf seine stillschweigende Art, meine Missetaten dadurch zu sühnen, dass ich vor ihm niederkniete oder zumindest eine Kerze entzündete.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Die kräftige Stimme kam von der Seite. Gleich darauf näherte sich mir ein Mann in knöchellanger schwarzer Soutane mit Priesterkragen, über der an einer schweren Kette ein Holzkreuz hing. Er mochte Ende 50 oder Anfang 60 sein und war ungefähr so groß wie ich, jedoch

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