Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller
wo ich das Zeuch herkriech, haste was gut bei mir.« Ich holte einen Zehner aus der Tasche und schob ihn auf den Tresen. »Is für die Pastete und den Drink. Das Wechselgeld kannste behalten.« Ich stand auf.
»Momentchen, Kumpel.« Er winkte mich zu sich. »Wenn de bis morgen Abend warten kannst? Da is wohl einer hier, der dir weiterhelfen kann. Der is jeden Abend in nem andern Pub unterwegs. Hier immer am Donnerstag, so zuverlässig wie der Kohlenfritze. Gegen sieben. Okay?« Als er mir zuzwinkerte, verzerrte er das Gesicht so grässlich, dass ich mich an den Komiker Max Wall erinnert fühlte. Nachdem ich mein Bestes getan hatte, das Zwinkern angemessen zu erwidern, machte ich mich auf die Suche nach Hughs anderer Stammkneipe. Konnte ja sein, dass der Drogendealer seine Geschäfte dort an diesem Abend abwickelte. Und falls ich kein Glück hatte, konnte ich am kommenden Abend immer noch ins Mally Arms zurückkehren, um mir eine Pastete schmecken zu lassen und hinterher einen Schuss zu besorgen.
Doyle’s Bar am Gorbals Cross wirkte auch nicht gerade wie ein Kurhotel. Allerdings sahen die Kunden nicht ganz so schlimm aus und wirkten, als würden sie sich regelmäßig bis zum Umfallen die Kante geben. Und das Bier war nicht ganz so wässrig wie im Mally Arms . Vielleicht hatte das eine mit dem anderen zu tun?
Ich beschloss, die Sache diesmal anders anzugehen. Schließlich sind die Leute in Schottland ja immer zu einem Gespräch aufgelegt. Unbekannte wünschen einem einen guten Morgen, damit sie sich über das Wetter auslassen können, ehe sie zu den wirklich wichtigen Themen übergehen, zum Beispiel Fußball. Frauen im Bus haben keine Hemmungen, völlig Fremde in intime Einzelheiten ihres Problems mit Krampfadern einzuweihen. In einem Pub – in dem die Leute jede Menge Zeit mitbringen und der Alkohol ihre Zunge noch mehr als üblich lockert – führt diese natürliche Plauderbereitschaft dazu, dass die Menschen einem, wenn man nicht aufpasst, sofort ihre gesamte Lebensgeschichte auftischen.
Es war kurz nach 19 Uhr, als ich auf der Suche nach passenden Kandidaten durch den Kneipendunst spähte. Von vornherein klammerte ich die Elendsgestalten in schäbiger Arbeitsmontur aus, die auf einen Schnaps vorbeischauten, ehe sie zu ihren mausgrauen Ehefrauen heimkehrten. Auch die Tische, an denen mit lautem Klicken Dominosteine hin und her geschoben wurden, ließ ich links liegen. Ich suchte nach jemandem, dessen Kleidung nicht ganz so abgerissen wirkte und auch nicht so, als hätte ihr Besitzer darin geschlafen. Nach jemandem, der unauffällig durch den Schankraum huschte und die kleinen Gruppen wie leichter Wind das Laub aufwirbelte. Nach jemandem mit nervös wanderndem Blick, der es darauf anlegte, seine schmutzigen Geschäfte in dieser Kneipe abzuwickeln. Aber niemand passte in dieses Muster.
Also hockte ich mich auf einen Schemel, wartete ab, griff nach einer Ausgabe des Daily Record, die irgendjemand liegen gelassen hatte, und las sie von vorne bis hinten durch – was nicht lange dauerte. Druckfarbe und Papier waren immer noch Mangelware und überteuert, deshalb hatte der Daily Record aktuell nur zwölf Seiten. Insbesondere die Berichte über örtliche Verbrechen studierte ich sehr gründlich, um ein Gefühl für die gemeingefährliche Seite der Stadt zu bekommen. Offenbar hatte sich seit der Zeit, als ich hier auf Streife gegangen war, kaum etwas verändert. Immer noch kontrollierten Banden das East End, waren mittlerweile aber wohl besser organisiert und weniger darauf aus, nur aus Jux und Tollerei Messerstechereien miteinander auszutragen.
In den Vorkriegsjahren hatte Polizeipräsident Percy Sillitoe sie sich vorgeknöpft und ihnen anständig den Arsch versohlt. Seine »Kosaken« waren zu Recht gefürchtet und hatten sich nicht zuletzt mit dem Einsatz von Schlagstöcken gegen randalierende Demonstranten der Grand Orange Lodge of Scotland hinreichend Respekt verschafft. Die Banden gab es nach wie vor, lediglich mit anderer Struktur: Jetzt gehörten sie dem organisierten Verbrechen an und spezialisierten sich auf das Eintreiben von Schutzgeldern.
Die heutige Ausgabe des Daily Record berichtete, infolge von Bandenkriegen seien Molotowcocktails durch Fenster geflogen, außerdem wären im Laufe einer Kneipenauseinandersetzung die Gesichter von drei Männern zu Streifen zerschnitten worden. Kein Wunder, dass die Polizisten eine harte Schiene fuhren. Im Umgang mit solchen Kriminellen gab es kein Pardon.
Ich hatte
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