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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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gestorben sein? Und der Gewandschneider wollte vielleicht ein wenig Gartenraute von der Wahrsagerin, weil die Magd sein Kind doch nicht wollte? Und der Lutherische kam zu den Gauklern und hat gedroht, sie dem Malefizamt zu melden.»
    «Gartenraute bekommt man auch bei den einheimischen Kräuterweibern. Dazu braucht es keine Fahrende», warf Gustelies ein. Sie war inzwischen ziemlich blass geworden.
    Hella rückte unruhig auf der Bank hin und her. Ich sollte den Mund halten, dachte sie, sonst lässt Heinz die Gaukler sofort verhaften. Aber dann sprach sie doch: «Bräuchte ich ein solches Kraut, würde ich natürlich zu einer Fahrenden gehen. Immerhin möchte ich es für eine Abtreibung benutzen. Abtreibungen aber werden mit dem Tod bestraft. Ich wäre dem Kräuterweib ausgeliefert. Sie könnte mich jederzeit damit erpressen. Deshalb würde ich Gartenraute IMMER bei einer Fahrenden kaufen und es erst anwenden, wenn die Fahrende längst über alle Berge ist.»
    «Die Wahrsagerin also?», fragte Richter Blettner. «Ich hatte ebenfalls eine solche Ahnung.»
    «Ja», erwiderte Hella. «Die Wahrsagerin. Aber nicht allein. Sie brauchte einen Gehilfen.»

Kapitel 24
    Auch dieses Mal wartete die Hebamme schon auf das Mädchen, als dieses am Abend nach Hause kam.
    «Du warst wieder mit ihm zusammen, nicht wahr?»
    Das Mädchen nickte, kicherte plötzlich, hob die Röcke und tanzte stumm nach einer unbekannten Melodie. Die Hebamme kam näher, griff dem Mädchen unters Kinn und zwang ihren Blick nach oben. «Was hast du gegessen? Was getrunken?», fragte die Alte, und ihre Stimme klang besorgt und erregt zugleich. «Antworte mir!»
    Das Mädchen machte sich aus dem Griff los, holte die Kuchen und die kandierten Früchte aus ihrem Leinenbeutel. Die Hebamme nahm und beroch jedes einzelne Stück. Von einem Törtchen biss sie ein winziges Stück ab, kaute darauf herum, spie es dann in den Spülstein. Sie raffte die Törtchen und Früchte zusammen, trug sie in den Garten und vergrub sie ganz unten im Komposthaufen.
    Das Mädchen war ihr gefolgt und schaute stumm zu.
    «Du hast ein Rauschmittel eingenommen», erklärte ihr die Hebamme. «Vielleicht etwas aus Schlafmohn. Ich vermute, der Städter hat dir etwas in die Kuchen, die Früchte oder den Wein getan. Hast du mit ihm geschlafen?»
    Das Mädchen nickte.
    «Wolltest du das?»
    Das Mädchen nickte wieder, hob gleichzeitig die Schultern und schüttelte den Kopf. «Ich weiß es nicht», flüstertesie. «Ich weiß gar nichts. Alles war so schön und so warm. Und Sebastian roch so gut, seine Hände waren so sanft. Am Himmel erschien das Rad der Fortuna. Es war zum Greifen nahe. Da wollte ich auch, was er wollte.»
    Die Hebamme war zusammengezuckt, als sie die Worte des Mädchens hörte. Jetzt zog sie sie an sich, strich ihr über das Haar. «Ich freue mich, dass du jetzt glücklich bist. Und ich fürchte mich vor dem, was der Mann mit dir anstellt.»
    Das Mädchen kicherte wieder, da packte die Hebamme sie an den Schultern und schüttelte sie. Das Mädchen lachte darüber, konnte sich nicht beruhigen. Selbst als die Hebamme sie mit dem Kopf in einen Zuber mit kaltem Wasser stieß, lachte sie weiter. Doch als sie mit nassem Kopf dastand, begann sie plötzlich zu weinen. Sie wischte in ihrem Mund herum, spuckte, erbrach sich sogar.
    Die Hebamme ging ins Haus, brachte einen Becher Milch. «Trink das, dann geht es dir gleich besser.»
    Als der Becher leer war, betrachtete die Hebamme noch einmal die Pupillen des Mädchens, die nicht mehr so unnatürlich geweitet waren. Dann führte sie sie ins Haus, zog ihr die Kleidung aus und brachte sie zu Bett.
    Am nächsten Morgen, als die Augen des Mädchens wieder so klar waren wie Brunnenwasser, sagte die Hebamme nach dem Frühstück: «Hör gut auf das, was ich dir zu sagen habe. Dein Städter, dein Sebastian, gibt dir von dem Saft, den ich für ihn gebraut habe. Dieser Saft ist ein Rauschmittel. Er macht süchtig. Wenn du weiter davon nimmst, wirst du bald nicht mehr ohne den Mohnsaft leben können. Du wirst abhängig davon.» Sie machte eine Pause und sah das Mädchen eindringlich an. «Abhängig vom Schlafmohn und abhängig von dem, der es dir gibt.»
    Das Mädchen schwieg. Was sollte sie darauf auch sagen? «Hast du mich verstanden?», fragte die Hebamme.
    Das Mädchen nickte. Da stand die Hebamme auf, nahm den Schlüssel, der für die Kellertür war und stets offen an einem Brett gehangen hatte, vom Haken, verschloss die Kellertür, nahm ein

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