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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Paradies ganz anders vor.»
    «Still», mahnte Gustelies. «Ich rieche Ingwer und Pfeffer, Nelken und Zimt, Anis und Safran.»
    «Warum soll ich still sein?», beschwerte sich Hella. «Riechst du etwa mit den Ohren?»
    Gustelies machte eine ungeduldige Handbewegung, dann öffnete sie die Augen und lief zielstrebig zu einem Händler, dessen gebräuntes Gesicht und tiefschwarzes Haar aus der Masse der blassen Deutschen herausstach.
    Obwohl Gustelies bis vor wenigen Minuten noch Angst vor fremden Sprachen hatte, war sie nun sogleich in ein Fachgespräch vertieft. Sie zeigte auf bestimmte Säcke, ruderte mit Händen und Armen, machte die Bewegung des Kochlöffels nach, leckte sich die Lippen. Der Händler, dessen Beleibtheit davon sprach, dass er eine gute Küche zu schätzen wusste, strahlte Gustelies an.
    «La cucina est arte», sagte er. Er bückte sich zu einemoffenen Sack, schaufelte ein wenig Zimt in ein kleines Leinensäckchen und reichte es Gustelies. «Por bella donna», sprach er dazu, und selbst Gustelies verstand.
    Sie wurde – zum zweiten Mal schon an diesem Tag – über und über rot und zog Hella mit sich. Hinter der nächsten Ecke flüsterte sie: «Hätte ich gewusst, wie überaus freundlich diese Kaufleute und Handwerksmeister sind, ich wäre – bei Gott   – Gewürzhändlerin geworden.»
    Hella lachte. Sie hakte sich bei ihrer Mutter ein, und gemeinsam gingen sie zurück zu Jureks Stand. Der kramte in den Ballen herum und summte leise vor sich hin.
    «Seid gegrüßt», rief Hella fröhlich und fummelte das Stoffteilchen aus ihrer Rocktasche. «Finde ich bei Euch noch etwas von diesem Stoff? Ich habe mir ein Überkleid daraus nähen lassen. Nun hätte ich gern noch einen Umhang davon.»
    Der Pole nahm den Stoff, befühlte ihn und betrachtete Hella von oben bis unten. «Bei welche Gewandmacher Ihr habt Kleid bestellt?», fragte er.
    Hella überlegte nur einen Bruchteil. «Bei Meister Voss.»
    Jurek verschränkte die Arme vor der Brust, sein Gesicht war plötzlich wie zugesperrt. «Ich nicht handeln mit Voss. Name kenne ich nicht.»
    «Das macht gar nichts», plauderte Hella fröhlich weiter. «Der Mann ist sowieso tot. Mit dem Umhang wollte ich zu Meister Amedick gehen.»
    Der Pole entspannte sich und lächelte. Noch einmal nahm er den Stoff in die Hand und befühlte ihn. «Feiner Stoff, beste Ware. Direkt aus Krakow.»
    «Seid Ihr da ganz sicher?», fragte Gustelies.
    Jurek breitete die Arme aus. «Aber ja, liebe Frau. Ichselbst habe Frankfurter Gewandschneidern Stoff verkauft. Auch Voss.»
    «Ach so? Ich dachte, Ihr kennt Voss nicht.»
    Für einen Augenblick sah der Pole bestürzt drein, dann erwiderte er: «Nun, als noch lebte Gewandschneider Voss, ich ihn kannte. Jetzt ist tot, jetzt ich kenne ihn nicht mehr.»
    «Habt Ihr auch Amedick von diesem Stoff verkauft?», fragte Gustelies.
    Der Pole kniff die Augen zusammen. «Warum Ihr das wollt wissen?»
    Gustelies lächelte. «Ganz einfach: Vielleicht hat er ja noch genug Stoff für einen Umhang. Oder macht Ihr keine Geschäfte mit ihm?»
    Jetzt legte der Pole den Kopf schief, betrachtete die beiden Frauen noch einmal von oben bis unten, dann erwiderte er: «Nu, ich nicht wissen, ob Amedick noch Stoff hat. Geht hin und fragt. Wenn nicht, kommt morgen wieder.»
    Die Frauen verstanden. Hella riss dem Polen ihr Stoffstückchen aus der Hand, dann grüßten sie freundlich und gingen.
    «So, nun müssen wir nur noch herausbekommen, als was der Voss diesen Stoff verkauft hat», teilte Gustelies mit.
    «Du musst zur Vossin gehen, Mama. Mich kennt sie und weiß, wessen Frau ich bin», sagte Hella.
    Gustelies nickte. «Gut. Mich kennt sie zwar auch, aber als Haushälterin eines Priesters bin ich über manchen Verdacht erhaben. Wir gehen jetzt gleich, es ist noch früh am Morgen. Danach muss ich auf den Markt. Pater Nau lässt mich exkommunizieren, wenn er heute wieder Pastete bekommt.»
    Wenig später klopfte Gustelies am Haus im Hirschgraben.Die Vossin öffnete wieder selbst. Gustelies sprach artig ihr Beileid aus. «Aber das Leben muss weitergehen, Vossin. Gekommen bin ich, um damit anzuzeigen, dass ich auch in Zukunft gern die Dienste der Vossischen Werkstatt in Anspruch nehmen möchte. Doch sagt: Ist wohl noch von dem Stoff hier etwas da?»
    Die Vossin nahm das Läppchen, befühlte es und roch daran. «Polnisches Tuch», erwiderte sie. «Wir haben noch davon. Dann kommt nur gleich zur Anprobe herein.»
    Gustelies versteifte sich. «Nicht heute, Meisterin.

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