Galgentochter
versetzt», fiel Gustelies ein. Doch plötzlich sprang sie auf. «Meine Wäsche! Ich habe vor lauter Mord und Totschlag ganz vergessen, dass ich die Altartücher und das Priestergewand eingeweicht habe!»
Rasch lief sie hinaus zu ihrem Zuber, goss das Aschewasser ab und schickte Hella in die Küche, um heißes Wasser vom Herd zu holen.
«Du kannst mir helfen beim Waschen», stellte sie fest. «Zu zweit geht es schneller. Und das Denken wird dabei auch nicht gestört.»
Wieder seufzte Hella, doch dann rührte sie die Seifenflocken, die Gustelies in das frische Wasser gestreut hatte, mit einem großen Holzlöffel um und gab die Wäsche hinein.
Eine Weile bewegte sie die Teile darin hin und her, dann kam Gustelies schon mit einem zweiten Waschbrett.
Hella krempelte sich die Ärmel ihres Kleides hoch, schob die Haube nach hinten und war kurz darauf bis zu den Ellbogen im Seifenwasser verschwunden.
Die beiden Frauen schrubbten das fromme Gut, dass der Herrgott seine Freude daran hatte. Bald schon stand Hella der Schweiß auf der Stirn. Gustelies hielt inne, wischte sich mit dem Unterarm trocken und fragte: «Weißt du, was ich nicht verstehe?»
«Nein, woher auch?»
«Was die drei Leichen miteinander verbindet.»
«Verbindet? Wieso?»
«Wenn wir davon ausgehen, dass alle drei Menschen ermordet wurden, so muss der Täter alle drei gekannt haben. Die Frage ist nur, woher?»
Jetzt war es Hella, die innehielt. «Und der Grund für die Taten, der ist auch nicht klar. Der Amedick hätte einen Grund gehabt, den Voss zu töten. Aber die Hure? Und beim Pfarrer kann er es kaum gewesen sein, nachdem er gerade bestraft und verjagt wurde, oder?»
Schweigend und nachdenklich schrubbten beide Frauen weiter. Oben ging ein Fenster auf, und Pater Nau beugte sich hinaus. «Ich mag vom Waschen nichts verstehen», rief er hinunter. «Aber mir scheint, wenn ihr so weitermacht, haben meine schönen Altardecken bald Löcher.»
Gustelies lachte leise, dann blickte sie nach oben und rief: «Du hast recht, Bruder. Vom Waschen verstehst du wirklich nichts. Kümmere du dich um deine Angelegenheiten und störe uns nicht länger.»
Von oben war noch ein Brummen zu hören, dann schlug das Fenster wieder zu.
«Wenn wir den Grund wüssten, so wüssten wir auch schon bald den Mörder», überlegte Hella. Dann fiel ihr der Tagelöhner ein, und sie erzählte ihrer Mutter davon.
«Hmm, wenn er es war, dann ist er nicht besonders klug», meinte Gustelies. «Es muss ihm doch klar sein, dass er einen Verdacht auf sich lenkt, wenn er alle naslang Leichen findet, wo andere Leute in dieser Zeitspanne nicht mal einen Knopf auf der Gasse finden.»
«Oder aber er ist besonders gerissen», fand Hella. «Er geht davon aus, dass er ungeschoren davonkommt, weil es gar zu offensichtlich wäre.»
Gustelies streckte den schmerzenden Rücken, dann bat sie: «Fass mal mit an. Ich will das Wasser abgießen. Wenn der Tagelöhner so gerissen wäre, wie du vermutest, mein Kind, dann wäre er nicht Tagelöhner. Ich bin sicher, er ist so unschuldig wie ein Säugling.»
Es dauerte noch eine ganze Weile, bis die Frauen mit der Wäsche fertig waren. Ihre Gedanken aber hatten sich im Kreis gedreht.
«Wir kommen so nicht weiter», fand Gustelies. «Geh dem Deinen um den Bart, stöbere in den Akten. Wir müssen mehr wissen.»
Sie reichte ihrer Tochter die Tonschale mit den panierten Kalbshirnscheiben, gab ihr einen Kuss auf die Stirn. «Versuche Heinz auszuhorchen», gab sie Hella als Ratschlag mit auf den Weg. «Und mach dir nicht länger Gedanken über eure Kinderlosigkeit. Der Herr wird’s schon richten, glaub mir.»
Aber Hella hatte ihre Sorgen vom Morgen schon vergessen.
Als sie zu Hause die Hirnscheiben mit angeekelter Miene in eine Pfanne gleiten ließ, um sie in Fett auszubacken,kam Heinz nach Hause. Er küsste seine Frau in den Nacken, spähte über ihre Schulter. «Oh, was wird das denn Feines?»
«Kalbshirn im Eierteig», erklärte Hella und unterdrückte ein Schütteln.
«Hirn?», fragte Blettner und lachte. «Meinst du, daran fehlt es mir?»
«Wer weiß», gab Hella keck zur Antwort. «Lass dir nur gesagt sein, dass dieses Gericht ein großer Liebesbeweis ist. Ich habe mich bei der Zubereitung geekelt wie lange nicht mehr.»
Blettner ließ sich auf die Küchenbank sinken. «Du verstehst es wirklich, mir Appetit zu machen.»
Beide lachten, dann waren die ersten Scheiben fertig, die Heinz mit großem Appetit verschlang. Hella saß daneben, aß einen
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