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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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zu oft habe ich solche Geschichten erlebt. Du bleibst am Ende allein zurück. Allein und verlassen, während er sich in der Stadt eine Frau sucht, die von seinem Stand ist. Kummer wird er über dich bringen, Kind. Kummer und viel, viel Leid.»
    Da riss sich das Mädchen los und lief hinaus in den Garten. Die Hebamme sah ihr nach und seufzte.
    Als die Zeit der Abenddämmerung gekommen war, schickte die Hebamme das Mädchen in die Kammer, um ein Umschlagtuch zu holen.
    «Am Himmel ballen sich Wolken zusammen», sagte sie. «Bald wird ein Gewitter kommen und die Luft abkühlen. Hol mir das Tuch, das blaue. Es liegt ganz unten in meiner Truhe.»
    Das Mädchen nickte und eilte die Treppe nach oben. Die Hebamme zog ihre Holzpantinen aus, stellte sie unter die Küchenbank und schlich auf bloßen Füßen dem Mädchen hinterher. Als sie vor der offenen Kammertür angelangt war, sah sie das Mädchen in der Truhe wühlen. Da warf die Hebamme die Tür ins Schloss und drehte den Schlüssel.
    Das Mädchen schrie auf, es war mehr Krächzen als Schrei, warf sich gegen die Tür und begann zu heulen.
    «Verzeih mir», rief die Hebamme durch die Tür. «Ich will dir nichts Schlechtes. Im Gegenteil. Vor Leid will ich dich bewahren. Es ist besser, wenn du den jungen Patrizier nicht siehst.»
    Wieder warf sich das Mädchen gegen die Tür, doch das Holz war dick, der Rahmen stabil, das Schloss aus Eisen.
    Die Hebamme steckte den Schlüssel in ihre Kitteltasche, seufzte und ging nach unten. Sie hörte das Mädchen noch eine Weile oben toben, doch dann herrschte Stille.
    Es dauerte noch ein wenig, bis es an der Tür klopfte und der Patrizier davorstand. «Ich komme, um dich auszuzahlen», sagte er.
    Die Hebamme blieb in der Tür stehen. «Einen Viertelgulden schuldet Ihr mir.»
    «Wills du mich nicht hereinbitten? Es ist schwül, und meine Kehle ist trocken.»
    Die Hebamme machte Platz, ging in die Küche voran, goss Wasser in einen Becher wie gestern das Mädchen. Doch sie reichte dem Mann den Becher, ohne ihn zum Sitzen einzuladen.
    «Bist du allein?», wollte der Patrizier wissen und sah sich suchend um.
    «Ja, das bin ich. Die Tochter meiner Schwester war gestern da. Sie war es, die Euch die Tinktur gab.»
    «Und wo ist sie heute?»
    «Zurückgekehrt zu ihrer Familie. Aus der Wetterau stammt sie.»
    «Sie ist hübsch», sagte der junge Mann freundlich.
    «Ja. Hübsch und weit weg.»
    Jetzt lachte der Patrizier auf. «Dachtest du, Hebamme, ich will ihr etwas tun? Hast du sie deshalb fortgeschickt?»
    Die Hebamme zuckte mit den Achseln. «Woher soll ichwissen, was in Euch vorgeht, hm? Sie musste zurück zu ihrer Familie. So ist das Leben bei uns armen Leuten. Da wird jede Hand gebraucht.» Sie machte sich an ihren Kräutertöpfen zu schaffen als Zeichen, dass sie nun keine Zeit mehr für den Städter hatte.
    Der begriff und stand auf. «Grüß sie von mir, deine schöne Nichte», sagte er.
    Als die Hebamme hörte, wie er wegritt, stieg sie die Stiege zu der Kammer des Mädchens hinauf und schloss die Tür auf. Dann blieb sie wie erstarrt stehen. Vom Mädchen war nichts zu sehen, das Fenster aber stand weit offen.

Kapitel 21
    «Nimm mich mit, wenn du mit dem Leichenbeschauer den Toten untersuchst», bat Hella. «Mich und Gustelies auch.»
    «Bist du von Sinnen? Das ist kein Ausflug ins Grüne, meine Liebe. Ich muss arbeiten. Da stört ihr nur. Im Übrigen haben Frauen nichts im Haus des Scharfrichters zu suchen.»
    «Wie du willst», erklärte Hella, nicht sonderlich gekränkt. «Wie du willst. Aber dann bestehe ich darauf, dass im Protokoll vermerkt wird, dass deine Frau dich auf den Leichenbeschauer aufmerksam gemacht hat.» Sie hielt inne und trat nahe zu ihrem Mann. «Versteh doch, Heinz, acht Augen sehen mehr als vier. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, für die sind Männer einfach blind. Stell dir vor, der Kragen des Priesters wäre gerissen. Nur eine Frau kann dir sagen, ob der Riss während des Tötens entstanden ist oder ob er schon vorher da war. Wenn er aber beim Mord entstanden ist, so weißt du, dass der Mörder ein großer Mann sein muss, weil er sein Opfer so kräftig beim Kragen packen konnte.»
    «Hmmm», überlegte Richter Blettner. «Und was, wenn der Mörder klein war und das Opfer am Kragen gepackt hat, um es hinter sich herzuziehen?»
    «Stimmt», gab Hella zu. «Aber es bleibt dabei: Frauen sehen manches, das Männern verborgen bleibt.»
    Der Richter runzelte die Stirn. «Mir scheint, du bist zu oft mit der

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