Galgentod
ja? Sie verstehen etwas von meiner Arbeit?« Diese Frage klang sarkastisch. Dr. Wedicks Lächeln wirkte frostig. Sein knochiges Gesicht mit der langen, krummen Nase bekam dabei etwas Fratzenhaftes. Seine Brille, die er auf der Nasenspitze balancierte, setzte seinem Anblick die Krone auf. »Dann habe ich es hier mit einem echten Genie zu tun. Ich habe dafür nämlich jahrelang studiert.«
Schnur staunte über die Heftigkeit der Reaktion. »Ich habe auf Informationen gehofft«, gab er zu.
»Ich dachte, Sie verstehen.« Dr. Wedick gab seine Trotzhaltung nicht auf.
»Ich verstehe, dass Sie etwas gefunden haben, was Sie untersuchen müssen. Nur wüsste ich gern, was Sie mir jetzt und hier schon darüber sagen können«, erklärte Schnur genauer. Seine Geduld war nicht die Beste. Hinzu kam, dass ihm Dr. Wedicks überempfindliches Verhalten schon lange gegen den Strich ging. Aber er galt als Meister in seinem Fach, weshalb er immer hinzugerufen wurde, wenn eine Leichenliegezeit nur noch durch die Maden bestimmbar war.
»Dieses Loch«, Dr. Wedick zeigte wieder auf das ausgefranste Loch in der linken Brustseite, »könnte durch Käferfraß entstanden sein – oder durch ein Projektil einer Waffe. Das kann ich aber erst genau sagen, wenn ich dieses Loch in meinem Labor untersucht habe.«
»Okay. Dann sollten wir uns damit beeilen, dass die Leiche in Ihr Labor geschafft wird. Von dem Ergebnis hängt es nämlich ab, wie unsere weiteren Ermittlungen aussehen sollen.«
Plötzlich kam Theo Barthels hinter der toten Frau hervorgekrochen.
Schnur erschrak.
»Den habe ich bei ihr gefunden«, merkte Barthels an und winkte mit einem Ausweis.
»Und? Wen haben wir vor uns?«, fragte Schnur neugierig.
Barthels überreichte dem Hauptkommissar den Ausweis, ohne etwas zu sagen.
Schnur las den Namen Mathilde Graufuchs.
Der Name ließ ihn erschrocken zusammenfahren. Wieder richtete er seinen Blick auf die Leiche. Plötzlich bekam sie ein Gesicht, eine Stimme und Eigenschaften.
Von hinten hörte Schnur Schritte. Erschrocken schaute er zurück, um nachzusehen, wer sich dem Tatort näherte. Sein Blick fiel auf Anton und Andrea.
Die Mienen der beiden Neuankömmlinge veränderten sich rasend schnell, je näher sie der Toten kamen. Antons gesunder Teint wechselte in ein ungesundes Grau und Andreas Gesichtsfarbe wurde grün.
»Ist das Mathilde Graufuchs?«, fragte Andrea.
Schnur nickte und wies die beiden an: »Ihr könnt euch gleich auf den Weg zum Haus der Toten machen. Es ist wichtig festzustellen, ob die Täter dort eingedrungen sind. Vielleicht liegt da das Motiv.«
»Das glaubst du jetzt nicht wirklich?«, fragte Andrea mit staunendem Blick. »Zwei Lehrer in einer Woche und dann Einbruch als Motiv?«
»Wir dürfen nichts außer Acht lassen«, reagierte Schnur darauf. Doch Barthels unterbrach ihn, indem er sagte: »Hier habe ich ihren Haustürschlüssel gefunden. Sollte Mathilde Graufuchs einem Raubmord zum Opfer gefallen sein, hat der Täter aber sehr unüberlegt gehandelt.«
»Trotzdem müssen wir in ihrem Haus nachsehen«, stellte Schnur klar.
»Und den Hund müssen wir dort wegnehmen«, erwähnte Andrea. »Der arme kleine Kerl.«
»Ruft im Tierheim an.«
»Nein«, widersprach Andrea, worauf Schnur sie verdutzt ansah. »Den Hund nehme ich.«
»Das soll mir recht sein. Also, macht euch auf den Weg. Der Tatort ist jetzt für die Kollegen der Spurensicherung. Wir stehen hier nur im Weg. Erik und ich werden mit Fred Recktenwald zur Kriminalpolizeiinspektion nach Saarbrücken fahren und ihm einige Fragen stellen.«
Kapitel 44
Seit ihrer Ankunft in Saarbrücken saß Fred Recktenwald still auf dem unbequemen Stuhl des Vernehmungszimmers und wartete. Kein Wort der Klage, kein Anzeichen von Ungeduld.
Schnur beobachtete ihn von der anderen Seite des Spiegels. Er wartete darauf, dass seine Mitarbeiter Informationen über ihn zusammentrugen, damit er wusste, mit wem er es zu tun hatte. Die Tatsache, dass Recktenwald haargenau der Zeugenbeschreibung im Mordfall Bertram Andernach entsprach, ließ ihn vorsichtig werden.
Er hatte inzwischen zwei Morde aufzuklären, wobei er nicht sicher war, ob er auch zwei Mörder suchte. Die Opfer waren beide Lehrer, hatten sich gekannt und waren beide unbeliebt in der Schule. Diese Fakten beunruhigten Schnur. Das Motiv für beide Opfer wäre in der Schule zu finden. Aber Recktenwald hatte seine Schulzeit schon lange hinter sich. Deshalb war es wichtig für Schnur, etwas über sein Leben und seine
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