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Galileis Freundin (German Edition)

Galileis Freundin (German Edition)

Titel: Galileis Freundin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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Art, oder gab es für den Franzosen eine Begründung, die sie nicht kannte. Er wu s ste nicht, er konnte nicht wissen, wie sehr sie ihn liebte. Sonst wäre er bei ihr geblieben, oder hätte mit ihr einen Fluchtplan nach Frankreich ausgeheckt.
     
    Die Kutsche schwenkte unterhalb des Ortes nach Westen und bog dann nach einer halben Me i le nach Osten in den Weg zur Burg Picchena ein. Es waren von hier aus noch zweieinhalb Me i len, bis sie ihr Zuhause erreichte. Auf ihrer Haut bildeten sich kleine Pünktchen. Ihre Finger zitterten. Einige Jahre lang hatte sie die Burg und die lieben Menschen dort nicht gesehen.
    „Was würde sich verändert haben? Was würde anders sein?“
    Ihre Sehnsucht wuchs ins Unermessliche . Bald würden sie da sein. Zu Hause. Schon fuhren sie durch den dicht bewachsenen Waldweg. Sie ließ anhalten. Stieg aus, nahm ihren Sohn mit aus dem Wagen. Einige Ellen von der Kutsche entfernt setzte sie sich mit dem Knaben an den W e gesrand. Sie schloss die Augen.
    „Picchena“ lief das glückliche Wort leise über ihre Lippen. Sie lehnte sich zurück, hielt ihren Sohn fest in den Armen und atmete tief die frische Heimatluft ein. Ihre Brust hob und senkte sich, als wolle sie das Glück der heimatlichen Gefilde gänzlich mit ihren Lungen aufnehmen.
    „Hier ist Ruhe, hier ist Frieden, hier ist Liebe“, flüsterte sie.
    „Das ist dein Land, mein Sohn. Dein Urgroßvater hat es zurückerobert. Dein Großvater hat es gepflegt, erweitert und beschützt. Deine Mutter wird es für dich erhalten. Nimm die Bäume und die Sträucher, die grünen Wiesen, den Bach und die Hänge auf in deine Seele. Du bist ein Picchena. Sei stolz mein Sohn, leite deinen Besitz erhaben aber voller Liebe zur Natur und zu deinen Bediensteten. Wirst du dereinst eine Familie haben, so liebe sie bis an das Ende deiner Tage. Schenke deinem Weib und deinen Kindern den Seelenfrieden, nach dem sich jeder Mensch so sehnt. Verteidige diesen Frieden gegen jeden Angreifer. Lass niemals zu, dass auch nur ein Mensch euren Frieden stört.“
    „Frieden, ja Mutter“, wiederholte der kleine Marzial Curzio.
    Die Mutter lächelte, erhob sich und gab in dem Wagen dem Kutscher einen Wink.
    Der Mann auf dem Bock spürte die Erwartung. Er ließ seine beiden Pferde laufen, als zöge es ihn selbst heimwärts. Der Knabe betrachtete interessiert den Weg und die Wälder, die sich um die Burg schlossen. Er atmete tief den Duft der Bäume ein. Er empfing nach den Klosterma u ern zum ersten Mal das Gefühl seiner Heimat. Der neue Graf Picchena hielt mit seiner Mutter Einzug. Die Spannung wuchs, als hinter einem letzten kleinen Hügel, die Burg Picchena durch die dichten Äste der hohen Bäume sichtbar wurde.
    "Dies mein Sohn", lächelte Caterina ihren Sohn an, "dies ist die Freiheitsburg Picchena. Sie ist dein Erbe. Hier bist du der Landgraf Marzial Curzio Picchena. Du wirst dereinst dieses Anw e sen von mir übernehmen."

 

    Flucht
     
    Das Leben in Picchena war ihr schneller vertraut geworden, als sie es selber gedacht hatte. Marzial erhielt einen Privatlehrer und mit Freuden erkannte die Mutter, dass sich der Knabe ebenso wie seinerzeit sie selbst, mit Leidenschaft den Studien widmete. An schönen Tagen liebte sie es, mit ihrem Sohn durch die Wälder zu streifen und an dem murmelnden Bach des Besitzes entlang zu wandern. Sie erzählte von ihren Abenteuern und viel von ihren Träumen als junges Mädchen. Doch diese Zeiten schienen auch für sie längst vorbei zu sein. Die Mutter erzählte ihrem Sohn von der brutalen Vergewaltigung, von den Verletzungen, die ihr der Abt Piero zugefügt hatte. Von der Schmach, die sie durch das Haus Medici erfuhr, weil man nicht ihr, sondern dem Abt und dem Mönch Glauben geschenkt hatte. Sie schilderte ihrem Sohn, wie sie vertraglich ein recht trostloses Leben an der Seite des kranken, schwindsüchtigen Lorenzo Buondelmonti führen musste .
    "Mutter, die Tage auf der Burg Picchena sollen zu deiner Freude werden. Ich will alles tun, um dir dabei zu helfen.“
    Die Mutter lächelte. Sie sah die Welt vor sich mit den wirren Verknüpfungen von Eifersucht und Hass , von Begierde und Liebe entstehen. Sie wusste , dass auch ihr Leben hier nicht zu Ende gehen würde, in der immerwährenden Stille einer Burg auf dem Lande.
     
    Die Verbannung hatte gelautet, die Gräfin dürfe sich auf der Burg Picchena und dem dazug e hörenden Land frei bewegen. Es war ihr verboten, die Burg zu verlassen oder eine andere Stadt aufzusuchen. Es war

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