Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg
Augenbrauen wanderten in die Höhe.
»Tonya Delanne, klar. Wie viele Premierministerinnen haben wir hier? Antworte nicht, Raymon – das war eine rhetorische Frage. Jedenfalls hat sie mich noch einmal über die Ergebnisse unserer Recherchen ausgequetscht. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich in der Zwischenzeit unsere Daten von einem Fachmann hat erläutern lassen. Sie schien es jetzt verstanden zu haben«, strahlte Kalep.
»Ich würde auch gerne mal von Tonya ausgequetscht werden«, grinste Cartier.
Der Anwalt ging nicht auf das Wortspiel ein. »Du, das ist komisch. Die Verbindung mit der Werft kommt wirklich nicht zustande. Ob da was passiert ist?«
»Deshalb rufe ich an – finde das gefälligst sofort heraus!« Cartiers Stimme überschlug sich fast. Eine innere Stimme sagte ihm, dass etwas nicht stimmte. Da musste etwas passiert sein …
»Um die Uhrzeit?«, maulte der Anwalt.
»Wofür bezahle ich dich eigentlich? Du bist mir eine große Hilfe«, schnaubte Cartier und beendete die Verbindung ohne ein Wort der Verabschiedung.
»Anwälte!« Cartier sprang auf und stieß einen unanständigen Fluch aus. Seine Freunde, Leute wie CeeGee oder Jedrell, hätten nicht zweimal gefragt und ihm, ohne zu zögern, jeden Gefallen getan, weil sie sich darauf verlassen konnten, dass er im umgekehrten Fall auch für sie da sein würde, wenn sie ihn brauchten. Aber dieser Anwalt …
Der Ingenieur ging ins Cockpit der Yacht und sah nachdenklich aus dem Kanzelfenster. In einiger Entfernung konnte er bereits die ersten Ausläufer des Asteroidengürtels erkennen, der entlang der kerianisch-drobarianischen Grenze verlief. Irgendwo dort draußen würde er Professor Kross finden und sie für sein Bergbauprojekt anheuern, und wenn das Projekt erst einmal schwarze Zahlen schrieb, dann konnten ihm der Stainless-Konzern, die kerianische Regierung oder sein kleinkarierter Anwalt mal den Buckel herunterrutschen.
*
In ihrem eleganten schwarzen Kostüm, den schwarzen Stiefeln und dem runden schwarzen Hut, von dem ein transparenter schwarzer Schleier vor ihrem Gesicht hing, sah Tonya aus wie ein Racheengel. Sie stand gelassen in der Mitte der Aufzugkabine, welche sie zum höchsten Stockwerk der Hauptverwaltung des Stainless-Konzerns beförderte.
Die junge Empfangsdame, die neben ihr stand, war weitaus weniger ruhig als Tonya. Das Mädchen hatte sich zu Tode erschrocken, als sie erkannt hatte, wer der ranghohe Besuch tatsächlich war, der am frühen Morgen durch das Sekretariat des Wirtschaftsministeriums angekündigt worden war. Tonya hatte der Empfangsdame verboten, ihre Gesprächspartner über ihre Identität in Kenntnis zu setzen, und war ihr in den Aufzug gefolgt, der die beiden Frauen nun in die Chefetage brachte.
Durch einen mit kostbarem Marmor und hochwertigen Spiegeln verkleideten Korridor führte das Mädchen Tonya zu einer großen, polierten Tür aus echtem Teakholz. Sie klopfte zaghaft an.
Durch die Tür hörten sie eine kräftige Männerstimme: »Herein!«
Die Empfangsdame öffnete die Tür einen Spaltbreit. »Gentlemen, Ihr Besuch ist da.«
»Stehen Sie da nicht herum, meine Liebe! Lassen sie ihn eintreten«, sagte eine andere Stimme.
»Sicher. Gentlemen …«, sie winkte Tonya durch die Tür, »die Premierministerin.«
Tonya hörte, wie sich die Tür hinter ihr leise wieder schloss. Ansonsten galt ihre Aufmerksamkeit jedoch völlig den beiden Männern, die in dem luxuriös ausgestatteten Besprechungszimmer saßen und auf sie gewartet hatten.
Die Premierministerin genoss die Wirkung, die ihr Auftritt auf die Geschäftsführer der Stainless Corporation hatte. Ivan Steinberg und Tetsuo Ishiyama, zwei ältere Herren in grauen Anzügen, starrten Tonya überrascht an. Sie hatten offensichtlich einen Wirtschaftsprüfer oder dergleichen erwartet, nicht aber die Premierministerin persönlich.
»Madame«, Steinberg stand auf und hauchte Tonya einen galanten Handkuss auf den Handrücken, »was für eine Ehre!«
»Madame Premierminister«, Ishiyama war ebenfalls aufgestanden und verbeugte sich tief, »es ist mir ein besonderes Vergnügen, Sie persönlich kennenlernen zu dürfen. Ich bin aufrichtig erfreut!«
»Schon gut«, sagte Tonya kühl und zog ihre Hand zurück. Einen Moment lang fragte sie sich, warum sie die rundliche gelbhäutige Gestalt des jüngeren der beiden Geschäftsführer eigentlich so stark an den neuen symirusischen Präsidenten erinnerte. Dann waren ihre Gedanken wieder ganz bei der Sache.
»Meine
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