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Ganz, nah!

Titel: Ganz, nah! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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hinuntergelaufen war, und dann öffnete sie die Tür und ging verträumt auf seinen Spuren die Treppe hinab.
    Logan hatte sie nach dem Stück nicht zum Essen ausgeführt, eine Nachlässigkeit, über die sie sich später wunderte, aber in jenem Moment dachte sie nicht darüber nach. Sie  wusste nur, dass sie unendlich glücklich und schrecklich hungrig war. Der Lebensmittelladen auf der Ecke war nur ein paar Schritte entfernt, und er hatte die ganze Nacht geöffnet, deshalb lief sie rasch dorthin.
    Angelini’s Markt war schmal, aber sehr lang, mit quietschendem Linoleumboden, grässlicher Beleuchtung und erfüllt vom durchdringenden Geruch nach koscheren Lebensmitteln. Die Feinkosttheke nahm die gesamte linke Wand ein, und an der rechten Wand standen deckenhohe Regale voller Dosen und Kartons. Obwohl das Geschäft einen wenig einladenden Eindruck machte, waren die italienische Pasta und die Fleischgerichte wundervoll, ebenso wie die kleinen, hausgemachten Tiefkühlpizzas.
    Leigh holte die letzte Shrimpspizza aus der Tiefkühltruhe und legte sie in die Mikrowelle, die im Laden zur Verfügung stand. Dann trat sie an die Fässer mit dem Gemüse, um Birnen zu kaufen.
    »Haben Sie Ihre Shrimpspizza gefunden? «, rief Mrs. Angelini ihr von der Kasse aus zu.
    »Ja, ich mache sie gerade warm. Es war die Letzte«, erwiderte Leigh, die die Birnen entdeckt hatte. »Ich kriege immer die Letzte - wahrscheinlich habe ich einfach Glück«, fügte sie hinzu. Eigentlich jedoch dachte sie an Logan und nicht an Pizza.
    »Nein, das hat mit Glück nicht viel zu tun«, sagte Mrs. Angelini. »Ich mache immer nur eine Shrimpspizza. Extra für Sie. Außer Ihnen fragt keiner danach. «
    Leigh blickte auf, eine Birne in jeder Hand. »Tatsächlich? Das ist aber nett von Ihnen, Mrs. Angelini. «
    »Sie brauchen sich da keine Birnen auszusuchen. Hinten habe ich bessere. Falco bringt sie Ihnen. « Mit lauter Stimme rief sie Falco auf Italienisch etwas zu.
    Kurz darauf kam Falco aus dem Lager, eine kleine Tüte in der Hand. Ohne Leigh anzuschauen, ging er an ihr vorbei auf seine Mutter zu und gab ihr die Tüte, aus der Mrs. Angelini zwei große Birnen holte. »Die sind für Sie«, sagte sie zu Leigh. »Das sind die Besten von allen. «
    Leigh nahm die fertige Pizza aus der Mikrowelle, legte sie wieder in die Pappschachtel und steckte diese in die Plastikhülle. Dann trat sie an die Kasse und bewunderte die Birnen, die glänzten wie poliert. »Sie sind immer so nett zu mir, Mrs. Angelini«, sagte sie lächelnd, um der schwer geprüften Frau ein wenig Freude zu machen. Mrs. Angelinis ältester Sohn, Angelo, war lange, bevor Leigh in die Gegend gezogen war, bei einem Bandenkampf getötet worden. Ihr jüngster Sohn, Dominick, war ein liebenswerter, fröhlicher junger Mann, der fleißig im Laden half, bis er dann eines Tages einfach verschwand. Mrs. Angelini behauptete, er sei in der Schule, aber Leighs Zimmergenossin, die gebürtige New Yorkerin war, sagte, das sei nur eine gängige Umschreibung für jemanden, der in Spofford, dem städtischen Jugendgefängnis, saß.
    Kurz nachdem Dominick »zur Schule gegangen« war, begann Falco im Laden zu arbeiten, aber er hatte mit seinem aufgeschlossenen kleinen Bruder nur eines gemeinsam -auch er hatte schon im Gefängnis gesessen. Allerdings nicht in Spofford, sondern in Attica, und zwar, weil er jemanden umgebracht hatte.
    Selbst wenn Leigh das nicht gewusst hätte, hätte sie sich in Falcos Gegenwart unwohl gefühlt. Er war fast eins neunzig groß und schlich durch den Laden wie ein unheilvolles Gespenst. Sein Vollbart und seine buschigen schwarzen Augenbrauen standen in starkem Kontrast zu seiner totenbleichen Haut. Bei den seltenen Gelegenheiten, wenn er etwas sagte, klang seine Stimme hart und barsch. Leigh fand ihn so unheimlich, dass sie es vermied, ihn anzusehen, aber manchmal ertappte sie ihn dabei, wie er sie verstohlen musterte, und das machte ihr beinahe noch mehr Angst.
    Mrs. Angelini schien jedoch seltsamerweise Falcos angsteinflößendes Verhalten und Aussehen überhaupt nicht zu bemerken. Sie scheuchte ihn wie ein Feldwebel herum und bezeichnete ihn liebevoll und besitzergreifend als »mein Falco«, »mein caro« oder »mein nipote«. Da sie schon zwei Söhne verloren hatte, hütete sie anscheinend diesen letzten, der ihr geblieben war, wie einen Schatz, trotz seiner offensichtlichen Fehler und Mängel.
    Als ob Mrs. Angelini Leighs Gedanken lesen könne, lächelte sie traurig, als sie Leigh das

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