Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
einig mit der Zuckerindustrie.
Zuckerförderung in staatlichem Auftrag. Es scheint wie ein Widerspruch, den Peter Baron verkörpert, der die Sache des Zuckers vertritt, als Staatsdiener, im Auftrag jener Länder, die sich doch so engagiert der Bekämpfung der Krankheitsfolgen verschrieben haben, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Österreich, aller 27 Mitgliedsländer der Europäischen Union, und auch die Schweiz gehört dazu.
Die Internationale Zuckerorganisation ist eine machtvolle Instanz, ihre Mitgliedsstaaten repräsentieren die Welt des Zuckers, von Australien bis Simbabwe, Brasilien, Barbados, die Russische Föderation, Tunesien und Marokko, Indonesien, Vietnam, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Fidschi-Inseln, Trinidad und Tobago, Indien und den Iran. Sehr viel gemeinsam haben sie nicht, nur ein gemeinsames Ideal: die Förderung des weißen Pulvers, das sie millionentonnenfach über die Menschheit bringen. Und Peter Baron ist der Executive Director. Er organisiert Treffen, Symposien und Seminare, lässt Statistiken erstellen, Zukunftsszenarien für die Welt des Zuckers. Die Staaten stimmen über seine Organisation ihre Politik der Zuckerförderung ab. Und wenn es hart auf hart kommt, dann kann er natürlich seine Truppen sammeln und ihre ganze staatliche Macht einsetzen für das gemeinsame Ziel.
Doch zugleich engagieren sich die Staaten gegen die neuen Epidemien, veranstalten Konferenzen, geben Millionen an Steuergeldern aus, um die Krankheiten zu bekämpfen, die zu Massenleiden geworden sind, ausgelöst allesamt durch die Überdosis Zucker, die über die Menschheit gekommen ist.
In Wahrheit ist es kein Widerspruch, sondern nur ein Missverständnis. Die Förderung des Zuckers von staatlicher Seite hat eine lange Tradition. Dass der Zucker Folgen hat, schädliche Folgen, ist lange schon bekannt, dass sie nicht so deutlich hervorgekehrt werden, hat auch eine lange Tradition und auch einen gewissen Sinn, es stünde ja dem Ideal der Zuckerförderung im Wege. Peter Barons Organisation sitzt da sozusagen im Zentrum des Geschehens.
Wenn es so etwas wie die Welthauptstadt des Zuckers gibt, dann ist es London. Hier hat diese Politik Tradition, mehr noch als in den anderen Hauptstädten der Zuckernationen. Hier landeten die riesigen Gewinne aus den Plantagen des wichtigsten Zuckerimperiums der Welt, von hier aus wurden die meisten Kriege geführt, um die Gewinne zu sichern. In London wurde die Zuckerkrankheit entdeckt und zugleich mit einem harmlosen Namen versehen. Auch die Zukunft des Zuckers wird von hier aus organisiert.
Es ist fast ein bisschen in Vergessenheit geraten: Seit Jahrhunderten, ja einem halben Jahrtausend, haben sich vor allem die Staaten Europas große Verdienste erworben um die Förderung der Volksdroge Zucker; erst die Kaiser und Könige, später die Politiker und Parlamente. Dass der Zucker vielleicht nicht ganz so günstig ist für die Gesundheit, war nicht zu übersehen, das hat aber seiner Karriere nicht geschadet. Die Risiken und Nebenwirkungen waren früh schon bekannt, doch die Doktoren, die Professoren mochten es nicht so überdeutlich herausstellen. So wurde das Leiden an den Folgen zur Privatsache. Auch die Verantwortung für die Erkrankung wird privatisiert, es gilt als Folge des »Lebensstils«.
Die Förderung der Verbreitung der Volksdroge ist immer eine Staatsangelegenheit gewesen. Die Regenten haben alles getan, um die Produktion und den Konsum voranzutreiben. Zu groß war der Reiz für sie selbst. Sie bauten prachtvolle Paläste mit den Profiten aus dem weißen Pulver, führten Kriege, um ihre Position zu sichern. Die Regierungen förderten auch die Technologien zu seiner Gewinnung. Es ist ja nicht so einfach, aus den Rohstoffen der Natur die reine Droge zu gewinnen. Und lange war nicht bekannt, dass sogar mitten in Europa der Zucker wächst, selbst im kalten Deutschland. Auch diese Erkenntnis verdankt das Volk königlicher Voraussicht wie auch die schnelle Ausbreitung des Zuckeranbaus auf heimischen Feldern.
Was die Potentaten begannen, setzten Parlamente und Präsidenten fort. In der Politik, wenn es um das weiße Pulver geht, gibt es keine Parteien mehr, es gibt nur noch Parteigänger. Die Zuckerbauern und Zuckerbarone ihrerseits sahen es als ihre demokratische Pflicht, die Politiker zu unterstützen in den Ländern Europas, aber auch in Amerika, überall, wo ihnen so viel Gutes widerfährt. Günstige Gesetze erleichtern die Geschäftsausübung der
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