Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
Firmen im süßen System, es gibt ja auch keine Warnungen vor Gesundheitsgefahren, irgendwelche Vorschriften, die den Konsum einschränken könnten, so wie bei den Zigaretten. Es gibt sogar noch Geld vom Staat: Die Allgemeinheit zahlt Milliarden an jene, die für Zuckernachschub sorgen.
Und gefördert werden nicht nur die Zuckerproduzenten, auch die Konzerne, die das süße Pulver in ihre Produkte mischen, in die Softdrinks, in die Süßigkeiten, sogar in die Zigaretten. Die Summen sind in der Regel ein Geheimnis, doch manchmal wird es ein bisschen gelüftet, und staunenswerte Dimensionen kommen ans Licht. Den reichhaltigsten Geldsegen genossen natürlich die Produzenten.
In den USA lagen die Subventionen für die Zuckerbarone regelmäßig bei 560 Millionen Dollar pro Jahr. Allein die Firmen der Familie Fanjul aus Palm Beach bekamen nach Recherchen der Zeitung Palm Beach Post, auf Basis der Daten des US-Landwirtschaftsministeriums, innerhalb von zwölf Jahren stolze 1,7 Milliarden Dollar.
Auch in Europa wurde die Zuckerbranche mit Milliardensummen beglückt, durch staatlich festgesetzte überhöhte Garantiepreise, direkte und indirekte Subventionen, Exportbeihilfen. Acht Milliarden Euro gab es beispielsweise in einem einzigen Jahr, es war 2005. Nach Recherchen der subventionskritischen Organisation farmsubsidies.org waren es allein für den britischen Zuckerkonzern Tate & Lyle Europe über einen Zeitraum von zehn Jahren 827 Millionen Euro. 819 Millionen Euro Exportsubventionen gingen, nach Recherchen der Hilfsorganisation Oxfam, an sechs große Zuckerraffinerien, zum Beispiel im Jahr 2003. Europas Branchenprimus Südzucker erhielt damals 201 Millionen, die französische Firma Beghin Say 236 Millionen. Ein schöner Millionensegen, und nicht nur für die Konzerne, die den Zucker herstellen.
Auch wer Zucker unters Volk bringt, wird belohnt: Der Red-Bull-Abfüller Rauch aus Vorarlberg bekam in einem Jahr knapp zehn Millionen Euro. Auch für Coca-Cola gab es Exportsubventionen, für den Marmeladenhersteller Schwartau, die Bonbonfabrik Storck und für Ritter Sport natürlich auch, ebenso für Haribo. Ferrero bekam in einem Jahr allein in Deutschland 1,2 Millionen.
Sogar ein Zigarettenkonzern wie Philip Morris kam in den Genuss des Geldsegens; in einem Jahr waren es in Deutschland 540 000 Euro. Wegen des Exports von zuckerhaltigen Zigaretten.
Kaum eine Branche erfreut sich solcher Zuneigung bei den Entscheidungsträgern in Regierung und Parteien. Das ist Tradition, seit Kolumbus Amerika entdeckt hat. Die Branche hat allerdings auch einiges getan, um die Zuneigung stets lebendig zu halten. Die drei deutschen Zuckerkonzerne beispielsweise, Südzucker, Nordzucker und Pfeifer & Langen in Köln, hätten »die deutsche Politik weitgehend im Griff«, notierte die Financial Times Deutschland. Die Lobbyvereinigung der Branche, die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker (WVZ), habe »bei fast allen für sie relevanten Volksvertretern den Fuß in der Tür«.
Und bei der Regierung sitzt die Branche sozusagen direkt in den Amtsstuben. »Es gibt praktisch kaum eine Distanz zwischen Politik und Industrie«, sagte Jörg-Volker Schrader vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Das Landwirtschaftsministerium sei durchsetzt mit Beamten, die selbst noch einen Hof betreiben und Zuckerrüben anbauen.
Die Zuckerindustrie, die Nahrungsindustrie, die Agrarindustrie, sie sind alle eng verbunden und machen gemeinsam Druck, wenn es um ihre Pfründe geht. Der »Zuckerindustrie eilt bei Bedarf der gesamte Agrarsektor zu Hilfe«, beobachtete das Manager Magazin. »Keine Agrarministerkonferenz zum Zuckermarkt, vor der die Rübenbauern nicht Spalier stehen.«
Alle politischen Akteure sind der Zuckerbranche eng verbunden. Die Konservativen und Liberalen sind näher bei den Zuckerbauern, das linke Lager steht an der Seite der Werktätigen in den Zuckerfabriken: »Zuckerfabriken sind Gewerkschaftsland«, weiß das Manager Magazin. In der Branche liegt der Organisationsgrad bei 90 Prozent. Und die Gewerkschaft wiederum gehört zur Konzernführung, jedenfalls beim Branchenführer: Der Chef der für die Zuckerindustrie zuständigen Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) amtiert bei Südzucker traditionell als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Er »bearbeitet jenen Teil des politischen Spektrums, in dem der Bauernverband nichts zu melden hat«, so das Wirtschaftsmagazin.
In der Welt des Zuckers ist das überall so. In
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