Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
Fruktose nicht mehr, den Fruchtzucker. Das hat die Diagnose zweifelsfrei ergeben. Doch Früchte isst er schon lange nicht mehr, und sein Darm rebelliert weiter.
Willi muss jetzt von seinen Verdauungsvorgängen berichten, wie oft er wieder rausmusste in der Nacht (»so um vier, halb fünf«), von Konsistenz und Farbe seiner Ausscheidungen, und Agnes gibt ihre Protokollnotizen wieder (»im Laufe des Tages wieder etwas flockiger«).
Willi Rust hat eine Krankheit, die eine rasante Karriere gemacht hat. Medizinische Bezeichnung: Fruktosemalabsorption. Fruktose, das ist Fruchtzucker. Bei dieser Krankheit kann der Körper den Fruchtzucker aus der Nahrung nicht richtig aufnehmen, bestimmte Bakterien im Darm machen sich darüber her, die eigentlich draußen im Garten am Werk sind, wenn die Äpfel verfaulen, und deren Aktivitäten, deren Abgase unter anderem sorgen für die Beschwerden.
Es ist eine seltsame Krankheit. Denn Früchte sind ja eigentlich gesund, Äpfel, Birnen, Zwetschgen. Wenn man sie nicht im Übermaß verschlingt. Doch die Fruktose, die jetzt zum Problem geworden ist, stammt häufig eben nicht aus Äpfeln, Birnen, Zwetschgen, sondern aus den Labors, gewonnen mit chemischen Mitteln, aus Mais und anderen Quellen. Sie wird massenhaft eingesetzt in den Produkten der Nahrungsindustrie, und damit zum Problem. In Amerika ist Fruktose schon zum allgemeinen Bösewicht erklärt worden. Denn vor allem in Softdrinks wirkt sie massenhaft, insbesondere auf die jungen Leute.
So ist die Menschheit also in der Geschichte des Zuckers in eine neue Epoche eingetreten. Erst gab es den Zucker nur im natürlichen Zusammenhang, in Äpfeln, Beeren, süßen Früchten. Dann gab es den Zucker pur, das weiße Pulver, und die dazugehörigen Nebenwirkungen. Jetzt gibt es eine Vielzahl von zuckerähnlichen Substanzen, mit chemischen Mitteln gewonnen, und eine Vielzahl von schädlichen Folgen.
Es ist nicht nur die Fruktose, es sind auch andere zuckerartige Zusätze in der industriellen Nahrung, auf die sich die unangenehmen Eigenschaften des Zuckers sozusagen verteilt haben. Manche verursachen Karies, andere nicht. Einige jagen den Blutzuckerspiegel in die Höhe, mit all den schädlichen Begleiteffekten, andere nicht. Und viele von ihnen richten im Darm die Verwüstungen an, an denen Leute wie Willi leiden.
Schon die Bezeichnungen klingen nicht mehr nach Zucker und schon gar nicht nach Essen, sie sind eigentlich nur etwas für Kenner der chemischen Materie, sie heißen Xylit, Mannit, Maltit oder modifizierte Stärke, Maltodextrin oder FOS, das sind Fructooligosaccharide, oder Inulin.
Eigentlich ist es überhaupt ein Wunder, dass die Menschen so etwas essen, ohne zu wissen, was es ist, und auch noch darauf vertrauen, dass es ihnen nicht schadet. Oft genug täuschen sie sich da auch: Schon 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung in der westlichen Welt sollen an dieser Fruktosekrankheit leiden, bei der auch viele dieser Zusätze eine Rolle spielen können.
Sicher ist: All die Zusätze sind in erster Linie von Vorteil für die Nahrungsindustrie. Für die Konsumenten sind sie höchst verwirrend und eher schädlich. Es gibt niemanden, der den Überblick hätte über die Zusätze, über die Mengen, die zum Einsatz kommen, und die Nahrungsmittel, in denen sie verarbeitet werden. Deswegen sind nicht nur die Konsumenten verstört, wenn sie nicht mehr wissen, was sie essen sollen, sondern auch diejenigen einigermaßen hilflos, die ihnen eigentlich helfen sollten, die Ärzte und Ernährungsberater. Und es nützt nicht einmal, Chemiker oder Mediziner oder Ernährungsberater zu sein: Auch sie sind vor Fehlurteilen nicht geschützt, wie im Falle des gefallenen Engels Fruktose.
Die Sache mit der Fruktose ist einer der verhängnisvollsten Missverständnisse in der Geschichte der modernen Ernährung. Seit der gewöhnliche Zucker in Misskredit geraten ist wegen seiner schädlichen Nebeneffekte, galt sie als Alternative, sozusagen als der bessere Zucker mit besserem Charakter, weniger schädlichen Neigungen. Vor allem für jene, die am Zucker schon litten, die Dicken und Kranken. Ihnen wurde Fruktose als gesunde Süße verkauft zum Abnehmen, in Diätprodukten, in Süßigkeiten für Zuckerkranke. Eine ganze Industrie hatte sich darauf spezialisiert – und damit Millionen von Menschen, Generationen von Kranken wohl eher noch geschadet.
Dabei hat der Fruchtzucker seinen Charakter ja nicht geändert, er ist nur früher nicht negativ aufgefallen, weil die
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