Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
»deren Produkte chronische Krankheiten befördern«, und den Pharma- und Medizinkonzernen, »deren Reichtum mit jedem diagnostizierten Fall steigt«, forderte der Kanadier Bill Jeffery vom Internationalen Verband der Verbrauchervereinigungen (International Association of Consumer Food Organisations).
Die Verbraucherorganisation Baby Milk Action regt folgerichtig eine klare Trennung der verschiedenen Gruppierungen aus der Bürgergesellschaft an. Sie hat 138 Organisationen zusammengebracht zur Conflict of Interest Coalition (COI), die Tausende von Non-Profit-Gesundheitsgruppen weltweit repräsentiert – und sich abgrenzt von den profitorientierten Lobbygruppen, die bislang gleichermaßen als Nichtregierungsorganisationen (Non Governmental Organisations, kurz NGOs) behandelt werden. Sie wollen, dass künftig unterschieden wird zwischen BINGOs (Business Interest NGOs) und PINGOs (Public Interest NGOs), und wenden sich dagegen, dass die Weltgemeinschaft den Interessen der Konzerne »Vorrang gegenüber dem Gemeinwohl« einräumt. Sie befürchten, dass der Einfluss der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie auf Vorbeugung und Bekämpfung von nicht übertragbaren Krankheiten zu groß ist und Politik sowie Richtlinien »verwässert und den Interessen der einflussreichen Unternehmen untergeordnet werden«.
Rüdiger Krech, der bei der Weltgesundheitsorganisation ohne Zweifel auf der Seite des Guten steht, will es dennoch mit der Zusammenarbeit versuchen – zugleich aber die Weltgemeinschaft sozusagen an der Basis einbeziehen in den Kampf fürs gesündere Leben – und gegen den allgegenwärtigen Zucker in seinen vielen Verstecken.
Die Welt ist ja groß. Und während die Lobby ganz oben ihren Einfluss sichert, will Krech zugleich ganz unten dafür sorgen, dass die Entscheidungen nicht zugunsten des Geldes gefällt werden, sondern zugunsten der Gesundheit.
Denn die Milliarden von Menschen, die die Weltgemeinschaft bilden, sind eigentlich eine mächtigere Masse. Und so können sie dort, wo sie leben, auch mehr Einfluss ausüben, in ihrer Stadt, in ihrem Viertel, in der Betriebskantine, im Kindergarten. Und wenn dort überall die Gesundheit eine größere Rolle spielt, dann könnte der Kampf gegen die neuen, menschengemachten Krankheiten vielleicht doch erfolgreich sein.
Wenn die Menschen überall darauf achten, dass die Krankheitserreger keinen Platz mehr haben, die Cola-Automaten in den Flughäfen, Bahnhöfen, die Snickers und Smarties im Schulkiosk. Bisher spielte das Gesundheitskriterium dort keine sehr große Rolle. Aber das will Rüdiger Krech jetzt ändern, der Mann in der Weltgesundheitsorganisation, der für die gesellschaftlichen Bedingungen für Gesundheit zuständig ist.
Krech: »Wir müssen die unterschiedlichen politischen Ebenen miteinander verbinden. Sie kennen vielleicht den Slogan aus der internationalen Umweltpolitik: »Global denken und lokal handeln«. In der Gesundheitspolitik muss man, glaube ich, beide Seiten im Bewusstsein haben, also auch lokal denken und global handeln. Ein Beispiel: Viele Lehrer und einige Eltern stellen fest, dass Kinder häufig gar nicht frühstücken oder statt eines guten Frühstücks mit Fertigprodukten in die Schule kommen. Sie initiieren ein gesundes Schulfrühstück. Und die WHO richtet ein globales Netzwerk gesundheitsfördernder Schulen ein, damit die einzelnen Initiativen ihre Erfahrungen austauschen können.
»Die Politik unterstützt zurzeit weltweit eher das Ungesunde, indem es Subventionen gibt beispielsweise für Zucker, aber keine Unterstützung für Gärtnereien, frisches Obst, frisches Gemüse.«
Krech: »Das ist es, was wir unter guter Regierungsführung verstehen, die eben genauer beobachten und auch eingreifen muss, wenn Entscheidungen getroffen werden, die gesundheitliche Auswirkungen haben. Deswegen setzen wir uns für sogenannte Health Impact Assessments ein.«
»Das bedeutet, dass bei politischen Entscheidungen immer die gesundheitlichen Folgen abgeschätzt werden müssen?«
Krech: »Genau darum geht es. Und da müssen wir in den unterschiedlichen Bereichen, während solche Entscheidungen getroffen werden, mit am Tisch sitzen und die entsprechenden Politiker darüber informieren, welche Folgen ihre Beschlüsse für die Gesundheit haben.«
»Wenn also in einzelnen Ländern, Deutschland, Italien, Botswana, Entscheidungen fallen, hebt die WHO den Finger und sagt, Achtung, das hat Gesundheitsrelevanz?«
Krech: »Das kann die WHO sein, das können
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