Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
Partner ihrer Politik. Immer noch besser als der Lobbyterror, den diese veranstaltet, wenn sie draußen bleiben muss, wie damals, beim »Krieg« um den Technischen Report 916.
Auf die anderen Bürger wirkt es allerdings ein bisschen befremdlich, wenn plötzlich Coca-Cola und Pepsi-Cola und Nestlé als Partner der Weltgemeinschaft auf dem Podium sitzen. Wie bei jener Konferenz in Moskau, die als modellhaft gelten kann für das neue Miteinander, mit 300 Teilnehmern aus aller Welt, die Vorarbeiten leisten sollte für das unmittelbar folgende Treffen mit dem klangvollen Titel »Erste Globale Ministerielle Konferenz über Gesunde Lebensstile und Nicht Übertragbare Krankheiten«. Es gab da verschiedene Sitzungen mit Beteiligten aus verschiedenen Bereichen der Bürgergesellschaft, sie sollten Wege aufzeigen zur Bekämpfung der neuen globalen Epidemien. Eine dieser »Sessions« wurde geleitet von einem Vertreter der Pharmaindustrie, eine andere von Jorge Casimiro, dem Direktor für Internationale Öffentliche Angelegenheiten bei Coca-Cola, unter den Sprechern war natürlich auch wieder Janet Voûte von Nestlé. So ist eigentlich alles bestens geregelt beim Bürgerdialog. Doch die Kritiker lassen nicht locker. Sie wollen nicht einsehen, dass internationale Nahrungsmittelkonzerne wie Bürgerorganisationen behandelt werden.
Für Kritiker besteht die Gefahr, dass die Zusammenarbeit mit solchen Partnern eher die Geschäfte fördert und weniger die Weltgesundheit. Schon ihre Produkte fördern ja nicht direkt die Weltgesundheit, meint etwa Professor David Stuckler von der Universität im britischen Cambridge, Mitglied einer Autorengruppe des Mediziner-Fachblatts The Lancet, die sich mit den neuen Massenkrankheiten beschäftigt (»NCD Action Group«). Die Autorengruppe aus renommierten Wissenschaftlern empfahl, »einen klaren ethischen Rahmen« zu verabschieden, um »Interessenkonflikte« zu identifizieren, wenn es um die Bekämpfung von solchen Krankheiten geht.
Es geht natürlich um Geld, um viel Geld: »Für die Hersteller von Snacks, Getränken, Zigaretten und Medikamente steht ein Markt mit einem kombinierten Jahresumsatz von mehr als zwei Billionen Dollar im vergangenen Jahr weltweit auf dem Spiel«, hat die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg errechnet. Die Einbeziehung der Food-Lobby in die Politik sei kontraproduktiv, meint auch Jorge Alday, stellvertretender Direktor Politik bei der World Lung Foundation. »Es ist, wie wenn man Graf Dracula in der Blutbank als Sicherheitsberater einstellen würde.«
»Ich bin nicht gegen Lobbyarbeit«, sagt Robert Beaglehole, Vorsitzender der Koalition für ein rauchfreies Neuseeland und ehemaliger Direktor für Chronische Krankheiten und Gesundheitsförderung bei der WHO in Genf: »Ich bin dagegen, wenn die Regierungen sie ernst nehmen.«
Professor Boyd Swinburn, Direktor des WHO Collaborating Centre for Obesity Prevention an der Deakin University im australischen Melbourne, kritisiert die neuen Partnerschaften, weil sie zu fehlgeleiteten Gesundheitsstrategien führten – ganz im Sinne der Quartalsbilanzen – und die »Ausgaben für Behandlungen bevorzugten, anstatt ihre Ursachen zu bekämpfen«. Sie »fördern so das Wirtschaftswachstum«, aber führten zur »Blockierung guter Präventionsmaßnahmen«.
Und die Weltorganisation liefere sich immer weiter den Interessen der Konzerne aus, die nach neuen Enthüllungen der Nachrichtenagentur Reuters jetzt auch schon als direkte Sponsoren auftreten: Coca-Cola gab 50 000 Dollar (38 000 Euro), jeweils 150 000 Dollar (115 000 Euro) gaben Nestlé und Unilever der amerikanischen WHO-Regionalorganisation PAHO (Pan American Health Organisation) mit Sitz in Washington. »Die WHO wird gekapert«, kommentierte Swinburn. »Das ist sehr gefährlich.«
Solche Partnerschaften seien »zum Scheitern verurteilt« prophezeit auch die New Yorker Ernährungswissenschaftlerin Marion Nestle in einem Aufsatz mit dem Cambridge-Professor Stuckler. Die Motive der Zusammenarbeit auf Seiten der Industrie seien völlig klar: »Jede Partnerschaft muss Gewinn bringen für die Industrie, die den gesetzlichen Auftrag hat, Reichtum für ihre Aktionäre zu maximieren.« Und weil die Industrie ihren »Profit aus ungesunder Nahrung« beziehe, sei ein Vorteil für die Volksgesundheit durch eine Zusammenarbeit nicht zu erwarten.
UNO und WHO sollten »Brandmauern« errichten zwischen ihren politischen Entscheidungsprozessen und den Alkohol- und Food-Konzernen,
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