Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
auch andere sein, aber die globale Gesundheitsgemeinschaft muss das als Entscheidungskriterium in die politischen Entscheidungsprozesse hineinbringen.«
»Sie sitzen ja nicht überall mit am Tisch.«
Krech: »Eben. Deswegen kann es auch nationale Komitees dazu geben. Es muss aber sichergestellt sein, dass diese Gesundheitsfolgenabschätzung institutionalisiert wird in den Entscheidungsprozessen.«
»Also eher eine Form von Bewusstseinsarbeit.«
Krech: »Das ist eine politische Aufgabe, und das ist eine Rechtsaufgabe, wenn Sie so wollen. Das wird dann auch eine Verwaltungsverpflichtung, wenn Sie das institutionalisieren. Wir müssen global an einem Konsens arbeiten, damit es dann national unter den gleichen Spielregeln umgesetzt werden kann.«
»Aber Sie wollen nicht, dass demnächst alles Süße verboten wird?«
Krech: »Nein, das wollen wir ganz und gar nicht, denn niemand von uns will doch wohl zu einem Gesundheitsdogmatiker werden. Es geht darum, ein gesundes Maß zu halten und sich schlauzumachen. Dann können wir auch weiterhin die Schokolade und die Erdbeertorte mit Sahne genießen. Aber eben so, dass es die Ausnahme wird und nicht die Regel.«
Doch während er mit der Weltgemeinschaft nach Wegen sucht, die Zuckerflut zu begrenzen, ohne die Erdbeertorte zu verbieten, haben die Konzerne dieser Welt, die Chemiker aus Big Food und Big Sugar, schon ganz neue Wege gefunden, den Zucker unter die Völker zu bringen. Das geht ganz ohne Erdbeertorte, auch unter ganz anderen Namen, so dass die Menschen Zucker essen, auch ohne dass sie das wollen. Sogar wenn die Menschen den Zucker meiden wollen und im Supermarkt nach Ersatz suchen, bekommen sie wieder – Zucker. Auch wenn etwas anderes draufsteht – ihr Körper merkt das und reagiert verstimmt.
8. Im falschen Film
Der Fall des Fruchtzuckers: vom Hoffnungsträger zum Bösewicht
Die Süße aus Früchten: Macht sie alles nur noch schlimmer? / Rohstoff Holz: die seltsamen Quellen für den Zuckerersatz / Die Angst vor Früchten war früher ganz alltäglich / Krankenhausreif durch Kaugummi: die nicht ganz harmlosen Alternativen zum Zucker / Expedition zum Kühlschrank: Was war noch mal im Gurkenglas? / Aber bitte essen Sie weiter Obst!
S eit Monaten sind sie jetzt schon auf der Suche nach irgendwelchen verborgenen Quellen des Süßen, seit diesem Frühstück im Urlaub, und nachher, wenn sie nach Hause kommen, müssen sie noch mal den Kühlschrank durchforsten.
Ihr geht das schon längst auf die Nerven. »Uns läuft die Zeit davon. Wir leben nicht mehr ewig. Mein Stückchen Leben, das ich noch vor mir habe, jetzt mal ganz egoistisch gesprochen, ist mir zu schade, es nur noch damit zuzubringen, wie war’s, wo du auf der Toilette warst, verträgt er das, ist es Glukose, ist es Fruktose?«
Glukose, Fruktose: Sie kennen die Fachbezeichnungen für die verschiedenen Zuckerarten, doch geholfen hat es auch nichts. Jetzt sitzen sie schon wieder hier im Sprechzimmer, bei der Ernährungsberaterin. Sie soll ihnen helfen, dem Rätsel auf die Spur zu kommen, das irgendwie mit diesem Zuckerzeug zusammenhängt.
Ihr Willi ist kaum noch wiederzuerkennen, hat kaum noch Energie. Willi hat abgebaut, sagen die Leute, und ihr setzt das auch schon zu, sagt Agnes, seine Frau: »Ich denk, ich bin im falschen Film. Ich lese, ich bin interessiert, ich komm ja gar nicht mehr dazu, ein Buch in die Hand zu nehmen. Grad noch in die Fernsehzeitschrift, und dann schläfst du vorm Fernseher ein. Das kann’s nicht sein, das ist keine Lebensqualität.«
»Die Symptome sind schon typisch, die er hat«, sagt Christina Frevert, die studierte Ernährungswissenschaftlerin (»Ökotrophologin«), die hier die Patienten wie Willi Rust berät. Bei ihm schlägt es auf die Verdauung, deswegen ist er hier in der Darmklinik in Exter, eine halbe Autostunde nordöstlich von Bielefeld. »Die Symptome sind meistens Durchfälle und Blähungen. Es gibt auch Leute, die Schmerzen haben.« Oder sogar Depressionen. Und sie werden schwächer, weil sie die Nahrung nicht mehr richtig aufnehmen können, so wie Willi.
Vom Fenster ihres Sprechzimmers sieht man die sanften Hügel des Weserberglandes. Eine Pferdekoppel mit Holzzaun, weiter hinten ein Wäldchen, ein Windrotor, im Hintergrund die Autobahn A2. Es ist ein klarer Morgen, blauer Himmel, die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, um neun Uhr hatten sie den Termin, pünktlich waren sie da, Agnes und Willi Rust, das Ehepaar aus dem Westfälischen. Willi verträgt
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