Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
Höhepunkt seiner Imagekrise war die öffentlichkeitswirksame Verbannung aus den Eigenmarken eines britischen Supermarktkonzerns bei gleichzeitiger Verunglimpfung und Beleidigung des Stoffes und der Gegenfeldzug des Herstellers, der Genugtuung einfordert, und zwar vor Gericht.
Aspartam ist weit verbreitet in den Regalen von Supermärkten und Drogerieketten. Die Cola light macht er süß, auch die zuckerfreien Varianten von Red Bull, des Wrigley’s Spearmint Kaugummis, viele Milchdrinks von Müller, sogar die zuckerfreien Kräuterbonbons des Schweizer Herstellers Ricola. In 9000 Produkten weltweit sorgt der Stoff für künstliche Süße. Aspartam ist der erfolgreichste, aber auch der umstrittenste der künstlichen Süßstoffe. Seit langem weisen Wissenschaftler auf Gefahren für die Gesundheit hin, auf Krebsrisiken, aber auch auf Risiken fürs Gehirn, bei Schwangeren sogar auf mögliche Gefahren fürs Baby. Schon bei der Zulassung durch die amerikanischen Behörden hatte es haarsträubende Ungereimtheiten gegeben, wie eine amtliche Untersuchung zutage förderte (siehe Hans-Ulrich Grimm: »Die Ernährungslüge«). Die Hersteller störten sich daran nicht weiter, denn es hatte keine geschäftlichen Folgen. Sie beteuerten die Unschädlichkeit, die Behörden reagierten nicht, die Verbraucher schluckten die künstlichen Süßstoffe weiter, vor allem die Kinder, wegen der Zähne, aber auch Frauen, die sich um ihre Figur sorgen.
Zumal die anderen chemischen Süßstoffe kaum besser beleumundet sind. Immer wieder waren Entlastungsstudien nötig, weil Krebsverdacht aufkam. Bei Acesulfam K (E950) beispielsweise berichtete die industriekritische US-amerikanische Wissenschaftsorganisation Center for Science in the Public Interest (CSPI) über erbgutschädigende Wirkungen, die sich allerdings in anderen Untersuchungen nicht bestätigten. Cyclamat (E952) verschwand zeitweilig in den USA vom Markt, wurde 1969 dort verboten. Doch der Verdacht, Blasenkrebs zu erzeugen, gilt mittlerweile als widerlegt. Auch beim ältesten Süßstoff, Saccharin (E954), gab es Krebsverdacht. In Kanada wurde der Stoff 1977 verboten, zugleich durfte er in den USA nur mit Warnhinweisen verkauft werden. Saccharin hatte in großen Mengen bei Ratten Blasenkrebs verursacht, nach neueren Einschätzungen bestehe die Gefahr beim Menschen indessen nicht.
Auch bei Aspartam förderten Forscher immer neue Belege zutage für Krebsgefahren: Leukämie, Lungenkrebs, Lymphknotenkrebs, Leberkrebs. Und das teilweise bereits bei einer täglichen Dosis von 20 Milligramm Aspartam pro Kilogramm Körpergewicht – der Hälfte des in Europa gültigen Grenzwertes. Zuletzt hatte es auch noch Hinweise auf Frühgeburten gegeben und ein erhöhtes Krankheitsrisiko für Babys, wenn die Schwangeren Aspartam zu sich nehmen. Die Aufsichtsbehörden in den Ländern dieser Welt ließen sich von den wachsenden Bedenken nicht beeindrucken. Die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA sträubt sich seit Jahren, gegen den umstrittenen Süßstoff vorzugehen, mittlerweile auch zum Missfallen von EU-Parlamentariern und der Brüsseler EU-Spitzen. Kritiker führen das zögerliche Verhalten der EFSA auch auf das Wirken von industrienahen Experten dort zurück.
Nun aber ist eine ganz neue Gefechtssituation entstanden. Jetzt sind es nicht mehr Verbraucherschützer oder Wissenschaftler, die gegen den umstrittenen Süßstoff zu Felde ziehen. Es ist eine Supermarktkette, und auch noch die größte der Welt, jedenfalls ihre britischen Statthalter, und sie haben, und das ist ebenfalls neu, die süße Chemikalie auch noch öffentlich beleidigt. Sie nannten Aspartam »nasty«, was so viel bedeutet wie eklig, fies, scheußlich, unangenehm, widerlich. Das ist natürlich der Gipfel. Der Süßstoffhersteller ist stinksauer.
Der japanische Aspartamkonzern Ajinomoto hat Klage wegen Verleumdung und »bösartiger Lüge« erhoben gegen Asda Stores Limited, so heißt die Supermarktkette mit einem Jahresumsatz von 20 Milliarden Pfund (24 Milliarden Euro). Ihre Mutter, die amerikanische WalMart Group, hat gar einen Jahresumsatz von 450 Milliarden Dollar (340 Milliarden Euro). An Geld mangelte es also nicht, »die Taschen sind tief genug für teure Anwälte«, mutmaßte das Kunstnahrungsfachblatt International Food Ingredients (IFI), für das der Kampf der beiden Giganten ein Vorgang ohne Beispiel ist: »Es gibt kaum Vergleichbares in der Welt der Zusatzstoffe.«
Zwar wurde der Streit dann doch noch
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