Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
Aspartam und Co. schwindet.« Kein Wunder, dass ein neuer Süßstoff da alle Hoffnungen auf sich zieht: »Wie durch ein Wunder wird Stevia auf einmal wieder interessant für sie.«
Agrarwissenschaftler Kienle gehört zu denen, die sozusagen den Boden bereitet haben für den Siegeszug des neuen Süßstoffs. Aber noch während er sich so intensiv mit der Pflanze beschäftigte, hat sich das Thema ganz langsam verändert auch hinsichtlich seiner ökonomischen Bedeutung. Er hatte sich ja als Agrarwissenschaftler mit der Pflanze beschäftigt, zunächst theoretisch, hatte Bücher gewälzt und erst mal nichts gefunden, außer dem Namen: Stevia rebaudiana, und der Angabe, es sei eine Pflanze mit vielen Blättern, und sie schmecke süß.
Kienle ist nach Paraguay gefahren, war im Landwirtschaftsministerium, sogar beim Minister. Er hat Pflanzen gekauft, ein Gesundheitszeugnis ausstellen lassen, alles in einen Karton verpackt, von Asunción nach Deutschland geschickt. Zwei Wochen waren die Pflanzen in Quarantäne. In Spanien hatte er einen Anbauversuch unternommen, bei Sevilla, darüber sogar seine Doktorarbeit geschrieben (»Einfluss von Bewässerung und Schnittfolge auf den Ertrag von Stevia rebaudiana in Südspanien«). Später hat er im Auftrag der Europäischen Union geforscht.
Doch unterdessen war die globale Erfolgsgeschichte schon angelaufen, wurde der Anbau verlagert, nach Asien, und ausgeweitet, und das Interesse verlagerte sich immer mehr von der grünen Pflanze auf den chemischen Prozess, um den Süßstoff zu gewinnen. Und als sich schließlich auch die Rechtslage veränderte, die neue Süße auch in Europa aus der Illegalität geholt wurde, da hatte sich die ganze Thematik gewandelt und auch der Charakter der neuen Süße, die ihn so in ihren Bann gezogen hatte. Und nicht nur ihn, auch viele Jünger aus der Reformhausbewegung. Doch jetzt war Stevia nicht mehr das Alternativprojekt, es war ein Objekt von kommerziellem Interesse geworden, Big Business, betrieben von Big Agro und Big Food. Die ganz großen Player auf dem Globus hatten sich des Gegenstandes angenommen und ihn in seiner Substanz verändert.
Kienle: »Die Stevia-Pflanze ist ja heute auch nicht mehr die originale Indianerpflanze. Mit der ursprünglichen Pflanze Stevia rebaudiana haben diese neuen Züchtungen nicht mehr sehr viel zu tun. Da gibt es eine Reihe ganz unterschiedlicher Varietäten, unterschiedlicher Züchtungen, das ursprüngliche Süßstoffmuster der Pflanze hat sich dadurch sehr stark verändert.«
»Es soll sogar schon Gen-Stevia geben.«
Kienle: »Meines Erachtens ist die gentechnische Veränderung von Stevia rebaudiana ein relativ altes Thema, das von den Japanern angepackt wurde. Aber auch andere haben sich damit befasst, auch in Europa, zum Beispiel beschrieben in einer Publikation aus dem Jahr 2001. Typisch für genmanipulierte Stevia-Pflanzen soll ihre Kleinwüchsigkeit sein. Es gibt verschiedene Patentschriften, die Genmanipulationen beschreiben, sehr detailliert.«
»Mit möglicherweise gesundheitlichen Folgen.«
Kienle: »Man weiß natürlich nicht genau, ob tatsächlich alle Pflanzen, die hier so angeboten werden, oder Produkte daraus, zum Beispiel getrocknete Blätter, die man als Badezusatz verkauft, ob das alles so ohne weiteres unbedenklich ist. Man hat, zumindest ist dies in der Literatur beschrieben, bei Produkten aus Indien auch sogenannte Alkaloide festgestellt, die zweifellos giftig sind. Wie diese in die Stevia rebaudiana als Inhaltsstoff reinkommen, bleibt zunächst mal ein Rätsel.«
»Es gab auch Befürchtungen, es könnte wirken wie eine Antibabypille …«
Kienle: »Ja, vor 40 Jahren, da gab es Untersuchungen, die das belegt haben wollen. Aber es gibt auch andere Untersuchungen, die zeigen ganz klar, dass das unbegründet war.«
»Also alles im grünen Bereich?«
Kienle: »Es gibt eine Reihe von Verbindungen, die bei der Herstellung der Steviolglykoside entstehen können, und bei manchen von denen weiß man, dass sie pharmakologische Eigenschaften haben.«
»Wie eine Arznei wirken?«
Kienle: »Ja, zum Beispiel den Blutdruck senken können. Bei dem, was jetzt als Süßstoffpulver auf dem Markt ist, gibt es diesen Effekt aber nicht, bei Einhaltung der erlaubten täglichen Höchstmenge, die sehr niedrig ist.«
»Stevia-Süßstoff ist also völlig unbedenklich?«
Kienle: »Auf die Menge kommt es an. Es gilt der alte Spruch von Paracelsus: Die Dosis macht das Gift. Und da leider die Tests nur mit sehr
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