Garnet Lacey 04 - Biss in alle Ewigkeit
stellte ich ihren Napf in die Spüle.
„Schönen Tag auch“, meinte Mátyás sarkastisch, während ich mich dick einpackte und zur Tür ging.
„Dir ebenfalls“, gab ich bestens gelaunt zurück und summte Winter Wonderland, nur um ihn zu ärgern.
Wenn mit starken Schneefällen zu rechnen war, borgte sich Sebastian in Jensens Werkstatt, in der er manchmal arbeitete, ein Schrottauto aus. Der gute Wagen blieb dann, mit einer Plane geschützt, in der Auffahrt stehen, manchmal fuhr Sebastian ihn auch in die Scheune, aber durch das ganze Theater mit Teréza war dafür keine Zeit geblieben. Aus Rücksicht auf mich hatte Sebastians dieses Jahr einen Wagen – ein Ford - mit Automatikgetriebe ausgesucht, den ich auch fahren konnte.
Seit dem Schneesturm hatte sich niemand die Mühe gemacht, den Ford auszugraben. Zwar war die Auffahrt von meinem Vater gründlich geräumt worden, doch der Wagen war nach wie vor mit einem halben Meter Schnee bedeckt. Ich brauchte fast eine halbe Stunde, um alles abzufegen und um die Scheiben vom Eis zu befreien. Als ich endlich einsteigen und zur Arbeit fahren konnte, war ich bereits nass geschwitzt.
Im Geschäft angekommen, begann ich zu überlegen, warum ich mir überhaupt die Mühe gemacht hatte. Es herrschte nämlich tote Hose. Kaum jemand ließ sich im Laden blicken, und das, obwohl Weihnachten und die Wintersonnenwende normalerweise eine hektische Zeit war. Heiden beschenkten sich nämlich gegenseitig genauso gern wie alle anderen Leute auch. Vielleicht waren sie alle noch damit beschäftigt, sich aus den Schneewehen freizuschaufeln, oder aber es lag am kalten, bedeckten Himmel, der jeden mit einem einigermaßen gesunden Menschenverstand dazu veranlasste, sich im Bett auf die andere Seite zu drehen und die Decke über den Kopf zu ziehen. Sogar William erschien zu spät zur Arbeit und machte einen verschlafenen Eindruck.
Ich nutzte die Gelegenheit, um all die Dinge nachzuholen, die bislang liegen geblieben waren. Ich bestellte Kerzen und Weihrauch, schrieb die letzten Weihnachtskarten an unsere
Geschäftspartner und bezahlte die eingegangenen Rechnungen. Da ich schon so fleißig war, rief ich auch gleich noch alle Gäste an, die am Probedurchlauf für die Hochzeit teilnehmen
sollten, um sie wissen zu lassen, dass der irrtümlich auf den heutigen Abend vorverlegt worden war. Die meisten versprachen hinzukommen. Dann machte ich das Büro sauber, wischte den Boden, ging mit dem Staubtuch durch die Regale und brachte sogar die Kundentoilette auf Vordermann.
William saß die meiste Zeit an der Kasse und las. Zwischendurch half er mir, die KinderabteiIung umzugestalten – was ich schon seit einer Ewigkeit hatte erledigen wollen und ließ sich von mir auf den neuesten Stand bringen, was die diversen Katastrophen in meinem Leben betraf. Ich erzählte ihm sogar, dass meine Highschool-Freundin Jane es vermutlich nicht schaffen würde, rechtzeitig zur Hochzeit herzukommen.
„Ich kann als Brautjungfer einspringen“, bot er mir an. „Ich habe sogar einen Rock! Na ja, eigentlich ist das ein Kilt, aber ich sehe darin ganz hervorragend aus.“
„Das glaub ich dir aufs Wort“, meinte ich lachend. „Aber du könntest einen Smoking tragen. Allerdings dachte ich, du bist einer von Sebastians Trauzeugen.“
Schulterzuckend antwortete er: „Ich wäre lieber deine Brautjungfer.“
„Sebastian braucht dich auf seiner Seite. Er hat hier nicht viele Freunde.“
„Machst du Witze? Er hat seinen Steuerberater und den Typ von Jensens Werkstatt, und dann ist da noch dieser bergsteigende Freund, der aus Alaska oder Australien hergeflogen kommt. Mich braucht er nicht, außerdem bin ich einer deiner besten Freunde.“ William geriet ins Stocken und fragte unsicher: „Das bin ich doch, oder nicht?“
„Natürlich bist du das.“
Damit war das auch geklärt.
Den Rest des Tages verbrachte ich mit Sortieren, Ablegen und Ähnlichem. Nachdem wir die Kasse abgerechnet und die Einnahmen in die Kassette gepackt hatten, um sie bei der Bank einzuwerfen, verabschiedete ich mich von William und erinnerte ihn noch einmal daran, am Abend in die Kirche zu kommen.
Die Kirche der Unitarier befand sich mitten auf einem dicht von Bäumen umstandenen Gelände. An der Kuppeldecke waren Eichenbalken zu sehen, und die Wand hinter dem Altar
bestand komplett aus einfachem Klarglas. Poliertes Parkett und ein atemberaubender Blick auf schneebedecktes Immergrün verliehen dem Bauwerk etwas Ehrfurchtgebietendes, ohne
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