Garnet Lacey 04 - Biss in alle Ewigkeit
geladene Energie war dafür draufgegangen, den Truck zum Anhalten zu bringen. Mit einem Mal fühlte ich mich wie dieser Hirsch, während ich den ramponierten Kühlergrill eines ebenso ramponierten Chevy Pick-ups anstarrte.
Durch die Windschutzscheibe konnte ich den Fahrer sehen, der im Wagen saß und mich entgeistert betrachtete. Er schlug mit den Fäusten aufs Lenkrad und rief etwas, das ich nicht verstehen konnte. Als er die Tür öffnete, drangen seine Flüche nach draußen. Ungelenk stieg er aus dem Wagen und redete in einem schleppenden Tonfall auf mich ein. „Was denkt ihr euch eigentlich dabei, euch mitten auf der Straße rumzutreiben?“ Mit zusammengekniffenen Augen musterte er die Plastiktüte in meiner Hand. „Läuft hier ’ne Art Drogenparty, oder was? Was für Spinner seid ihr?“
Der Kerl trug die typische Uniform eines Farmers aus dem Mittleren Westen: Arbeitsstiefel, verschossene Jeans, kariertes Hemd und eine Parkaweste. Sein sandbraunes Haar war kurz geschnitten und ging in leicht gräuliche Bartstoppeln über. Ich war fest davon überzeugt, dass sich in der Fahrerkabine eine Gewehrhalterung mitsamt Gewehr befand, doch dann glaubte ich, am Westenkragen des Mannes einen Button mit dem Schriftzug Feingold for President zu erkennen.
Vom Scheinwerferlicht geblendet, starrte ich den Störenfried weiter an. Wo bitte schön war Sebastian? Er hatte den Wachtposten spielen sollen! War ihm irgendwas zugestoßen?
„Hey“, bellte der Farmer mich an, während sein Blick von den Kerzen zu dem schwelenden Kräuterhäufchen wanderte. Dabei schwankte er leicht hin und her und musste sich am Türgriff festhalten. „Was ist hier los? Was macht ihr mitten auf der Straße?“
Griffin kam zu uns geschlendert, den Rücken durchgedrückt, die Schultern gestrafft. „Wir wirken einen Zauber. Und was machen Sie hier? Es ist mitten in der Nacht, und wir befinden uns hier quasi im Niemandsland.“
Der Farmer stutzte und blinzelte hastig. Ich dachte schon, er bekäme einen Herzinfarkt, aber dann stammelte er drauflos: „Ich bin auf dem Heimweg. Wir haben Sperrstunde. Hast du gerade was von Zauberei gesagt? Seid ihr irgend so ’n Kult-Club oder was?“
Griffin schüttelte den Kopf, sein langes Haar reflektierte das Licht der Scheinwerfer. „Wir sind Wicca-Anhänger.“
William stellte sich zu mir und flüsterte mir zu: „Was macht Griffin denn da? Haben wir einen von diesen Stiften, mit denen die ,Men in Black' einem die Erinnerung löschen?“
Ich lachte schnaubend und wünschte, wir hätten tatsächlich so einen Stift. „Wir sollten besser die Fahrbahn räumen, damit Sie weiterfahren können, nicht wahr?“
Der Farmer sah mich an, als hätte er längst vergessen, dass ich auch noch da war. Er drehte sich wieder zu Griffin um, der ihm mit einem Nicken zu verstehen gab, dass das keine schlechte Idee war. Schließlich tippte der Farmer sich an seine Baseballmütze. „Ja, das wär gut.“
Ich gab allen ein Zeichen, die Fahrbahn frei zu machen, dann ließ er den Motor wieder an. Dabei sah er mich an und schüttelte immer wieder den Kopf, als wollte er uns alle wie einen schlechten Traum aus seiner Erinnerung verbannen.
Der Truck rollte an uns vorbei und walzte den Schneehaufen mitsamt der Asche platt. Ich rieb mir die Nase, die allmählich die Wirkung der Kälte zu spüren begann. „Tja, damit wäre unser Zauber offiziell für die Katz.“
„,Für ’n Arsch' trifft es wohl besser“, gab Griffin zurück und stellte sich zu William und mir. Gemeinsam sahen wir zu, wie die Rücklichter des Trucks allmählich in der Dunkelheit verschwanden. Die anderen scharten sich ebenfalls um uns. „Sollen wir noch mal von vorn anfangen?“, fragte jemand.
Xylia schaute auf ihre Armbanduhr. „Mitternacht ist jetzt vorbei. Muss der Zauber genau um Mitternacht gewirkt werden?“
„Vielleicht hat es ja gereicht“, überlegte Blythe. „Wir waren schließlich fast fertig.“
„Fast ist aber nicht ganz fertig“, wandte Griffin ein.
„Ich habe Hunger“, meldete sich irgendwer zu Wort. „Können wir jetzt mit den Keksen und dem Ale anfangen?“
„Wo ist Sebastian?“, fragte ich laut. „Er sollte aufpassen, damit uns niemand stört. Glaubt ihr, Teréza ist uns gefolgt?“
Meine Frage wurde mit einem Schrei beantwortet, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Vor Schreck war meine Kehle wie zugeschnürt. Woher der Schrei gekommen war, konnte ich nicht ausmachen, und jetzt herrschte in den Wäldern
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