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Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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Doch erst einmal kam nur Tess zum Vorschein, trottete in gemächlicher Althundeart aus dem Schäferwagen und begann, Rebecca die Hände zu lecken.
    »Was ist mit ihr?«, fragte Rebecca. »War sie da, als das passiert ist? Schöner Wachhund!«
    Tess wedelte geschmeichelt.
    »Ich habe sie bei der Fronsac gelassen«, sagte Mama. »Das alte Mädchen ist nicht gern allein.« »Ich will hier weg!«, sagte Rebecca.
    Mama tätschelte ihr mit einer knochigen Hand den Rücken.
    »Ach was!«, sagte sie.
    Rebecca schwieg, Mama tätschelte, und Tess wedelte. Drei Krähen flogen mit entschlossenen Mienen über die Weide Richtung Wald.
    Auf einmal hatte sich Rebecca wieder aufgerichtet.
    »Wer denn?«, fragte sie. »Wem hast du die Karten gelegt?«
    Mama grinste. »Nun wird es interessant, nicht wahr? Wen würdest du erwarten? Das Walross vielleicht oder die hübsche kleine Hortense. Das sind die typischen Kunden, hätte ich gedacht, oder höchstens noch Yves, dieser Tölpel. Wer fragt mich? Mademoiselle Plin! Die strenge Dame mit den strengen Haaren!«
    »Die Schlange!«, murmelte Rebecca.
    Das Weidetor ging auf, und die Schafe rückten ein bisschen vom Schäferwagen ab, um Abstand von der Besucherin zu halten. Hortense blieb einige Schritte vor dem Schäferwagen stehen und machte eine respektvolle Bewegung, fast einen Knicks.
    »Bonjour, Madame. Ich habe gehört... können Sie auch mir die Karten legen. Mir und... Eric?«
    Mama lehnte sich etwas zurück und zückte ein kleines schwarzes Buch.
    »Warum nicht. Wollen wir mal sehen: heute habe ich schon drei Termine, aber morgen Vormittag... Sie um zehn und der Herr Eric um halb elf, ja?«
    Hortense nickte, hauchte »Salut, Becca« und war schon wieder auf dem Rückweg, die Wangen rosig, Veilchenduft in den Haaren. Wo sie mitten im Winter die ganzen Veilchen herbekam, hätte die Schafe schon interessiert.
    »Du hast... Termine«, ächzte Rebecca. »Drei!«
    »Fünf«, korrigierte Mama.
    »Ich will hier weg!«, sagt Rebecca.
    Mama ließ das kleine schwarze Buch wieder in den Weiten ihres Mantels verschwinden und setzte sich auf. »Bist du verrückt? Endlich passiert hier etwas! Heute ist der erste Tag, an dem ich nicht weg will! Ich sage dir, Kind, hier gibt es eine ungewöhnlich große Nachfrage nach ... Glück. Nach Rat. Nach Licht im Dunkeln!«
    Mama stand auf und breitete fledermausartig die Arme aus. »Reba, ich glaube dir, dass etwas nicht stimmt. Und nicht wegen der Polizei, sondern weil hier ein so großer Bedarf an... an... an Schicksal besteht. Und weißt du, worauf das hindeutet?«
    Mama machte eine dramatische Pause. »Auf etwas Übernatürliches!« Rebecca stöhnte.
    Die Schafe schwiegen beeindruckt. Übernatürlich! Noch natürlicher als natürlich! Gras war natürlich, Kraftfutter nicht ganz so natürlich, und Plastik war gar nicht natürlich und fast ungenießbar. Etwas Übernatürliches hingegen musste eine wahre Delikatesse sein!
    Mama faltete ihre Fledermausarme wieder zusammen und packte Rebecca am Kinn. »Nun lass dich nicht hängen, Kind. Wir werden herausfinden, was es ist. Und wer das da war...«, sie stach mit einem knochigen Finger Richtung roter Haufen, »...das finden wir auch heraus! Was glaubst du, was dir Leute so alles erzählen während einer Seance! Lass mich nur... Wir dürfen nur nicht alles mit uns machen lassen, wie ... wie Schafe!«
    Wie Schafe!
    Das saß!
    Maude und Heide begannen beleidigt zu blöken, Mopple guckte schuldbewusst, und Ritchfield schüttelte den Kopf und murmelte »das ist kein Schaf!«.
    »Ritchfield hat Recht«, sagte Zora auf einmal. »Wir müssen ihnen ein Vorbild sein!«
    Zuerst kauten die anderen nur, aber dann verstanden sie auch. Von sich aus unternahmen Menschen selten etwas. Sie lebten in den Tag hinein und gingen ihren kleinen Menschengeschäften nach. Wenn wirklich etwas Wichtiges passieren sollte, Kraftfutter oder Apfelernte oder Schluss mit dem Wanderleben, mussten die Schafe die Initiative ergreifen.
    »Ich könnte wieder eine Karte fressen!«, sagte Mopple hilfsbereit.
    Aber welche Karte? Die Schafe wussten es nicht. Sie beschlossen, dass Mopple probehalber jede Karte fressen sollte, die ihm vor die Nase kam. In der Zwischenzeit konnte man grasen oder ein bisschen blöken oder kopfschüttelnd die Ziegen beobachten oder...
    »...oder wir finden den Garou!«, blökte Ramses auf einmal.
    Die anderen sahen ihn entgeistert an.
    »Ich meine...«, stammelte Ramses, »vielleicht ist er ja gar nicht so ... und wir können

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