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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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verwechselt.«
    Dass der Dicke ein
extravagantes Bumserlebnis meinte, schien mir unwahrscheinlich. Ich nahm an,
dass er vom Bowling sprach.
    »Das ist Rogers Kugel«, erklärte er, auf das braune Ding an seiner Wange zeigend. »Ich hätte
wissen müssen, dass das nicht meine Kugel ist, weil sie einfach nicht in meinen
Sack passte. Meine Kugel würde in jeden Sack passen,
aber Rogers Kugel ist wirklich seltsam. Ich wollte sie gerade in meine Tasche
stecken, als der Landrover von der Brücke abkam.«
    Obwohl ich wusste, dass es
in meiner Nachbarschaft weit und breit keine Brücke gab, versuchte ich, mir den
Unfallhergang vorzustellen. Aber ich wurde vom Gurgeln auslaufenden Benzins
abgelenkt, das klang, als würde es eine durstige Männerkehle hinuntergluckern.
    »Sie steigen jetzt besser
aus«, sagte ich zu dem kopfstehenden Bowlingspieler.
    »Ich warte auf Roger«,
antwortete er. »Roger kommt bestimmt gleich.«
    [449]  Und tatsächlich näherte
sich jetzt ein zweiter Landrover, als wären sie ein getrenntes Zweiergespann
einer vorrückenden Armeekolonne. Rogers Landrover näherte sich mit
ausgeschalteten Scheinwerfern und stoppte nicht rechtzeitig; er bohrte sich in
den Landrover des dicken Bowlingspielers, worauf sie Heckstange an Stoßstange,
wie zwei zusammengekoppelte Güterwagen, noch zehn mühsame Meter weiter
rumpelten.
    Es hatte den Anschein, dass
Roger tatsächlich ein Trottel war, aber ich stellte ihm nur die Frage, die man
von mir erwartete: »Sind Sie Roger?«
    »Ja«, sagte der Mann, dessen
Landrover jetzt dunkel und knarrend dastand; kleine Scherben seiner
Windschutzscheibe und Scheinwerfer und Gitterteile seines Kühlergrills fielen
wie lärmendes Konfetti auf die Straße.
    »Das kann nur Roger sein!«, stöhnte der Dicke, der immer noch mit dem
Kopf nach unten – und immer noch am Leben – in seinem vom Innenlicht
erleuchteten Wagen steckte. Ich sah, dass seine Nase leicht blutete; die
Bowlingkugel schien ihn angeschlagen zu haben.
    »Roger, du Trottel!«, rief
er heraus. »Du hast meine Kugel !«
    »Also, dann muss
irgendjemand meine Kugel haben«, antwortete Roger.
    » Ich habe deine Kugel, du Trottel«, verkündete der dicke Bowlingspieler.
    »Fein, aber das ist noch
nicht alles«, sagte Roger. »Du hast auch meinen Landrover.« Roger zündete sich in seinem dunklen Wagen eine Zigarette an; er
schien nicht daran interessiert, aus dem Wrack zu klettern.
    [450]  »Sie sollten Warnlichter
aufstellen«, riet ich ihm, »und der Dicke da sollte aus Ihrem Landrover
aussteigen. Es ist überall Benzin. Ich glaube, Sie sollten auch lieber nicht
rauchen.« Aber Roger ließ sich nicht beirren und ignorierte mich in der
höhlenhaften Stille des zweiten Landrovers, und der Dicke rief – als hätte er
einen wiederkehrenden Traum – aus dem ersten Landrover heraus: »Bist du’s, Roger?«
    Ich ging in mein Haus und
rief die Polizei an. Bei Tage hätte ich in meiner Nachbarschaft ein solches
Gemetzel nie geduldet, aber Leute, die mit ihren Autos Bowling spielen, gehören
nicht zu den üblichen Vorortrasern, und ich kam zu dem Schluss, dass sie es
nicht besser verdient hatten.
    »Hallo, ist dort die
Polizei?«
    Ich habe so meine
Erfahrungen gemacht, was man von der Polizei erwarten kann und was nicht. Ich
weiß, dass man Bürgerwehren dort nicht sonderlich schätzt. Wenn ich Raser
anzeigte, war das Ergebnis jedes Mal enttäuschend. Die Polizei schien an
Einzelheiten nicht interessiert. Man teilte mir mit, es gebe durchaus Leute, an
deren Verhaftung die Polizei interessiert sei, aber im Grunde glaube ich, dass die
Polizei insgeheim mit den Rasern sympathisiert; und sie schätzt keine Bürger,
die Festnahmen für sie vornehmen.
    Ich meldete die näheren
Umstände des Unfalls, und als die Polizei mich wie immer nach meinem Namen
fragte, antwortete ich: »Roger.«
    Das könnte noch interessant
werden, so weit kannte ich die Polizei schon. Sie ist immer mehr daran [451]  interessiert,
demjenigen das Leben schwerzumachen, der das Verbrechen anzeigt, als den
Verbrechern auf die Finger zu klopfen. Und tatsächlich, als die Polizisten eintrafen,
gingen sie sofort auf Roger los. Ich sah, wie sie sich unter einer
Straßenlaterne zankten, schnappte aber nur Brocken ihres Gesprächs auf.
    » Das ist Roger«, sagte der Dicke immer wieder. »Roger, wie er leibt und lebt.«
    »Ich bin nicht der Roger,
der euch Arschlöcher angerufen hat«, erklärte Roger den Polizisten.
    »Das stimmt«, verkündete der
Dicke. » Dieser

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