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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Rücklicht des
Lieferwagens. Aller guten Dinge sind fünf, jedenfalls bei mir und schon eine
ganze Weile. Ich hab’s mit den Fünfen, selbst bei meinem Brustumfang (in
gedehntem Zustand): fünfundfünfzig Zoll.
    »Ihr Rücklicht ist kaputt«,
warnte ich den Installateur. »So können Sie nicht weiterfahren.«
    »Ich hetze Ihnen die Polizei
auf den Hals, Sie verrückter Dreckskerl!«, schrie O. Fecteau.
    »Dies ist eine
Bürgerverhaftung«, sagte ich. »Sie haben die Höchstgeschwindigkeit übertreten,
Sie gefährden das Leben meiner Kinder. Lassen Sie uns gemeinsam zur Polizei
gehen.« Damit schob ich das Ende des langen Rohrs unter das hintere
Nummernschild des Lieferwagens und faltete es zusammen wie einen Brief.
    »Wenn Sie meinem Wagen noch
einmal zu nahe kommen«, drohte der Klempner, »können Sie was erleben.« Aber das
Rohr fühlte sich in meiner Hand so leicht an wie ein Badminton-Schläger; ich
holte mühelos damit aus und zerdepperte auch noch das andere Rücklicht.
    »Sie erleben jetzt schon
was«, warnte ich O. Fecteau. [455]  »Wenn Sie noch einmal in diese Gegend kommen,
bleiben Sie besser im ersten Gang und setzen Ihren Blinker.« Als Erstes, das
wusste ich (und schwang das Rohr), würde er sein Blinklicht reparieren lassen müssen.
    In diesem Augenblick kam
eine ältere Frau aus ihrem Haus, um zu sehen, was los war. Sie erkannte mich
sofort, da ich vor ihrem Haus schon eine Menge Raser gestellt habe.
    »Oho! Gratuliere!«, rief sie.
    Ich lächelte sie an, und sie
kam auf mich zugetrippelt, blieb stehen und warf einen Blick auf ihren
wohlgepflegten Rasen, wo der Spielzeugkipplaster ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie nahm ihn mit offensichtlichem Missfallen und
brachte ihn zu mir herüber. Ich legte das Spielzeug und die zerbrochenen Glas-
und Kunststoffstücke von den Rück- und Blinklichtern auf die Ladefläche des
Lieferwagens. Es ist eine saubere Gegend. Ich verabscheue Unrat. Draußen auf
der Landstraße, beim Trainieren, sehe ich nichts als Unrat. Ich legte die
anderen Rohre ebenfalls auf die Ladefläche zurück, und mit dem Rohr, das ich
(wie ein Krieger seinen Kampfspeer) noch in der Hand hatte, stieß ich den
Schraubenzieher und die Drahtrollen, die in den Rinnstein gefallen waren, ein
Stück nach vorn. O. Fecteau sammelte alles auf und verstaute es wieder in dem
Metallschubkasten. Wahrscheinlich ist er ein besserer Klempner als Fahrer,
dachte ich; die Schwedenzange schien sich in seiner Hand sehr wohl zu fühlen.
    »Sie sollten sich schämen«,
sagte die alte Frau zu O. Fecteau.
    [456]  Der Klempner starrte sie
finster an.
    »Er ist einer von den ganz
Schlimmen«, erklärte ich ihr.
    »Das ist ja allerhand!«,
sagte die alte Frau. »Und dabei sind Sie schon so ein großer Junge«, sagte sie
zu dem Klempner. »Da sollten Sie es besser wissen.«
    O. Fecteau zog sich in die
Fahrerkabine zurück. Er sah aus, als wollte er mir die Schwedenzange am
liebsten an den Kopf werfen, dann in den Lieferwagen springen und im
Rückwärtsgang die alte Frau überfahren.
    »Fahren Sie vorsichtig«,
sagte ich zu ihm. Als er sicher im Wagen saß, schob ich das lange Rohr auf die
Ladefläche zurück. Dann hakte ich die alte Dame unter und half ihr über den
Bürgersteig zu ihrem Haus.
    Als der Lieferwagen sich mit
jenem Gestank versengten Gummis und einem Geräusch wie von Knochen, die aus
ihren Gelenkkapseln gerissen werden, vom Bordstein entfernte, fühlte ich am
zerbrechlichen Ellbogen der alten Frau, wie sie zitterte; etwas von ihrer Angst
sprang auf mich über, und mir wurde klar, wie riskant es war, jemanden so
zornig zu machen, wie ich O. Fecteau zornig gemacht hatte. Ich konnte ihn sogar
auf fünf Straßenzüge Entfernung außer sich vor Wut immer noch schneller
dahinrasen hören, und ich betete für all die Hunde und Katzen und Kinder, die
ihm in die Quere kommen konnten. Bestimmt, dachte ich, ist das moderne Leben
ungefähr fünfmal so gefährlich, wie das Leben früher war.
    Ich sollte diesen Kreuzzug
gegen die Raser beenden, dachte ich. Ich gehe zu weit, aber sie machen mich so [457]  zornig – mit ihrer Unachtsamkeit, ihrer gefährlichen, schlampigen Art zu leben, die
ich als so unmittelbar bedrohlich für mich und meine Kinder betrachte. Ich habe
Autos schon immer gehasst, und ich habe die Leute gehasst, die sie dumm fahren.
Ich habe einen furchtbaren Zorn auf Leute, die so leichtfertig das Leben
anderer gefährden. Sollen sie ruhig mit ihren Autos rasen – aber in der Wüste!
Einen

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