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Gassen der Nacht

Gassen der Nacht

Titel: Gassen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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hatte seinen Schädel aufgespalten wie ein breites Stück Holz.
    Es war ein furchtbarer Anblick, der uns beiden durch Mark und Bein ging. Über meinen Rücken rieselte ein Schauer der Furcht, hervorgerufen nicht nur durch den Anblick, sondern auch aus der schlimmen Vorahnung heraus, daß dieses Bild, das der Spiegel da zeigte, zu einer grausamen Wahrheit werden könnte. Für mich war es nichts anderes als ein Todesversprechen, das dieser Spiegel zeigte.
    Ray Ralston bewegte sich nicht. Er stand wie festgeklebt vor dem Spiegel und atmete kaum. Er nahm das Bild auf. Es war für ihn eine Droge der Furcht.
    Dann drehte er sich um.
    Das Spiegelbild drehte sich nicht mit.
    Statt dessen löste es sich auf, als hätte ein großer Radiergummi es ausgelöscht. Ralston starrte mich an.
    Sein Gesicht war grau wie Asche. Die Augen darin wirkten wie Fremdkörper. Er schüttelte den Kopf, die Lippen bewegten sich, ohne daß er sprach, dann hob er den rechten Arm, spreizte den Finger ab und zeigte auf seine Brust.
    »W… war - war ich das?«
    Ich nickte.
    »Aber«, er schluckte, »verflucht noch mal. In - in meinem Kopf steckte eine Axt.«
    »Ja.«
    Er schlug mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Wieso steckte darin die Axt und weshalb steckte sie nicht in Wirklichkeit in meinem Kopf, John? Können Sie mir das sagen?«
    »Nein.«
    Er glaubte mir nicht, schüttelte leicht den Kopf und fragte flüsternd:
    »Oder wollen Sie es nicht?«
    »Bitte, Ray, ich…«
    »Sie wollen es mir nicht sagen, wie? Sie haben Angst, Sinclair. Geben Sie es zu, Sie haben die Hosen voll.«
    Ich blieb ruhig und winkte mit beiden Händen ab. »Okay, wenn Sie es so sehen, habe ich auch Angst. Meinetwegen, ich habe alles. Nur reißen Sie sich jetzt zusammen, um Himmels willen.«
    »Der Himmel kann mir auch nicht mehr helfen, Sinclair. Ich habe davor gestanden, ich habe genau gesehen, was mit mir geschah. Sie nicht, John. Sie sind hier geblieben, ihr Bild hat sich nicht verändert. Gehen Sie hin, Sinclair. Ich will jetzt zuschauen und sehen, was mit Ihnen geschieht, wenn Sie vor dem Spiegel stehen. Ist ja möglich, daß die verdammte Axt dann nicht in Ihrem Kopf steckt, sondern in der Brust oder in Ihrem Hals. Kann ja alles sein.«
    Ich ging wortlos auf ihn zu und schob ihn zur Seite. Dann nahm ich das Kreuz in die rechte Hand und näherte mich dem Spiegel. Nichts war zu sehen.
    Weder mein Kopf, mein Körper, ein Fuß oder eine Hand. Der Spiegel ignorierte mich.
    Hinter mir stöhnte Ralston auf. Er stand so, daß ich ihn in der Fläche sehen konnte. Beide Hände hatte er gegen sein Gesicht geschlagen, und seine Stimme hörte sich dumpf an.
    »Das packe ich nicht! Das ist zuviel, Sinclair. Das will nicht in meinen Kopf hinein.«
    Ich gab ihm keine Antwort, sondern startete einen anderen Versuch. Das Kreuz drückte ich gegen die Spiegelfläche, weil ich sehen wollte, ob sich das Tor öffnen würde.
    Es passierte nichts.
    Die verdammte Bestie war einfach nicht zu packen. Sie ignorierte mich, sie hatte sich zurückgezogen. Auch das Kreuz konnte die Magie des Spiegels nicht verändern.
    Pech gehabt…
    Ich drehte mich wieder um.
    Rays Gesicht glänzte vor Schweiß. Er war so ziemlich von der Rolle. Die letzte Stunde hatte ihn mehr gelehrt als seine fast vierzig Lebensjahre zuvor. »Der macht mit uns, was er will, John. Warum zeigt er mich als Toten und von Ihnen nichts?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    Das nahm mir Ray Ralston nicht ab. »Keine Ahnung?« schrie er mich an. »Natürlich haben Sie Ahnung, Sie sind der Spezialist, John Sinclair. Nur Sie allein. Aber ich kenne den Grund. Sie wollen es mir nicht sagen. Sie wollen es nicht.«
    »Und was hätte ich Ihnen nicht sagen sollen, Ray? Haben Sie sich darüber schon Gedanken gemacht?«
    »Natürlich.«
    »Dann bitte.«
    »Moment, Moment, ich habe es gleich.« Er mußte sich erst sammeln, um seine Gedanken in Worte fassen zu können. Er bewegte dabei den Kopf und seine halb ausgestreckten Hände im gleichen Rhythmus. »Dieser Spiegel hat zwei Zeitzonen zugleich gezeigt. Einmal mich, wie ich hier stehe, und zum anderen mich auch, wie ich einmal sein werde. Nämlich tot, mit dieser verdammten Axt im Kopf. Ich habe versucht, den Spiegel zu vernichten, was mir nicht gelang. Aber der Spiegel oder was immer in ihm steckt, hat dies nicht vergessen, John. Er hat zurückgeschlagen. Er hat mir ein Stück der Zukunft gezeigt, wie es mal sein wird. Ich habe mich darin gesehen, ich habe die verdammte Axt in meiner Stirn

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