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Gassen der Nacht

Gassen der Nacht

Titel: Gassen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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gesehen, ich sah das Blut an den Rändern, und ich weiß jetzt verdammt genau, was mir alles bevorsteht.« Er hob seinen Kopf an, damit er mir ins Gesicht schauen konnte. »Ist das nicht so, John?«
    Ich bewegte meine Schultern. »Es kann sein.«
    »Nein!« schrie er. »Das ist so, das kann nicht nur sein. Das wird so werden.«
    Ich fragte mit sehr ernster Stimme: »Davon sind Sie hundertprozentig überzeugt, Ray?«
    »Tausendprozentig.«
    »Dann gibt es für Sie nur eine Chance.«
    »Welche?«
    »Sie müssen so schnell wie möglich verschwinden. Hauen Sie ab von hier. Verlassen Sie diese Gegend, bevor die Angst Sie auffrißt, bevor Semerias zurückkehrt.«
    Er lachte stockend. »Das - das sagen Sie mir, dem Kollegen?«
    »Es war ein Rat.«
    »Ja.«
    Er holte Luft und blies sie wieder aus. »Das sagen Sie mir?« wiederholte er. »Ich soll fliehen?«
    »Wäre es nicht besser?«
    »Nein, John, nein.« Er taumelte an mir vorbei und ließ sich wieder auf den Stuhl fallen. »Ich weiß nicht, was ich denken soll. Ich bin noch nie im Leben vor etwas davongelaufen. Ich habe mich immer gestellt. Ich werde und ich will mich auch jetzt stellen, aber ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll. Wie ich der Gefahr entgegentreten muß.«
    »Indem wir hier verschwinden.«
    Er hatte mich nicht richtig verstanden, fragte nach und war dann überrascht, als ich meine Forderung wiederholte. »Wir sollen tatsächlich gehen?« hauchte er.
    »So ist es.«
    »Aber wohin denn?«
    »Lassen Sie uns irgendwo etwas trinken.«
    Ray stand auf und schüttelte den Kopf. »Da werden Sie sich aber wundern, wo wir hier landen.«
    »Ich nehme es in Kauf.«
    »Dann kommen Sie mit.«
    Er ging vor. Ich warf einen letzten, ziemlich langen Blick auf den Spiegel, der unverrückbar auf derselben Stelle stand. Die Fläche sah wieder so normal glatt und hell aus, aber tief im Hintergrund, der eigentlich nicht hätte sein dürfen, malte sich eine schwache Gestalt ab. Es war der Werwolf Semerias.
    Und ich wußte, daß er lauerte…
    Im Lokal roch es nach Knoblauch und gebratenem Fisch. Angeblich war es das beste, das sich in dieser Gegend finden ließ. Es war mehr eine Baracke, und die lag so, daß wir von einem der Fenster aus freie Sicht auf den Hafen hatten.
    Schiffe wirkten wie stählerne Ungetüme. Kräne bewegten sich quietschend, als würden sie bald unter dem Gewicht ihrer Ladungen zusammenbrechen. Gabelstapler rollten auf dicken Gummirädern über die Kais und schafften ihre Ladungen in die entsprechenden Depots. Die Kneipe wurde meist von Hafenarbeitern frequentiert, war sauber und irgendwie gemütlich. Das mochte an den Fischernetzen liegen, die unter der Decke hingen.
    Wir tranken beide Tee. Hunger hatten wir nicht, auch wenn die frischen Heringe in der Küche gebraten wurden. Ray und ich saßen uns gegenüber. Auf dem Weg hierher hatte ich ihm das Du angeboten, um sein Mißtrauen abzubauen. Ralston starrte trübe in seine halbleere Tasse. Immer wieder hob er die Schultern. »Auch der Tee hat mich auf keine neue Idee gebracht, John, sorry.«
    »Nun ja, wir müssen eben abwarten, bis Semerias die Initiative ergreift.«
    »Schön. Also darauf, daß er zurückkehrt.«
    »Ja.«
    »Und dann?«
    »Dürfen ihm keine potentiellen Opfer über den Weg laufen. Die Straßen oder Gassen müssen leer sein.«
    »Für euren Kampf.«
    Ich nickte.
    Fast mitleidig schaute mich der Kollege aus Bristol an. »Sinclair, ich mag dich, ehrlich! Aber wenn ich dich so anschaue, dann sehe ich einen Typen vor mir, der bewußt und mit weit geöffneten Augen in sein Verderben rennt.«
    »Das hat man mir schon öfter gesagt. Bis jetzt ist es gutgegangen. Ich lebe noch immer.«
    »Verdammt, du kannst dich nicht immer auf dein Glück verlassen.«
    Ich hob die Schultern.
    Ralston redete weiter. »Man wird dir keine Chance geben, John. Der Werwolf oder was immer die ser Killer auch sein mag, ist stärker als du.«
    »Möglich.«
    »Dann willst du dich ihm stellen?«
    »Ja.«
    »Ohne Waffen?«
    »Ich habe Waffen.«
    »Die bringen nichts, John. Ich weiß so einiges über dich. Ich wußte auch vorher, daß du ein Kreuz hast, das angeblich wahre Wunderdinge vollbringen kann.«
    »Unsinn…«
    »Moment, laß mich weiterreden. Ich habe es ja gesehen und erlebt. Mit diesen Wunderdingen ist es nicht so weit her. Dein Kreuz hat nichts bewirkt, es hat versagt.«
    Ich reagierte nicht. Ich stimmte ihm nicht zu, ich sprach auch nicht dagegen.
    Ray trank hastig einen Schluck Tee. »Dann hast du noch

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