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Gassen der Nacht

Gassen der Nacht

Titel: Gassen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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anders. Flacher das Gesicht, nicht mit dieser langen spitzen Schnauze versehen, obgleich ihm das Mordgebiß schon gewachsen war.
    Ich trat vom Fenster weg und wieder zurück in den Laden. Ray Ralston war gegangen. Er hatte meinem Plan schließlich zugestimmt. Wie er es schaffte, die Menschen dazu zu bringen, in ihren Häusern zu bleiben, war sein Problem. Ich hatte ihm nur den Rat gegeben, sie an den schrecklichen Tod des Walt Temple zu erinnern. Möglicherweise half das.
    Die Gasse vor mir war ruhig. Da rührte sich nichts. Nicht einmal eine Katze huschte über das Pflaster. Auch der Wind fand dem Weg nicht so recht hierher. Ich sah Papierfetzen auf der Straße, die sich nicht bewegten.
    Der Vollmond schien die Menschen vertrieben zu haben. Die alten Fassaden wirkten trist und leer, selbst die Fenster konnten den trüben Eindruck nicht mildern. Hinter vielen Scheiben schimmerte Licht. Es schien mir meilenweit entfernt.
    Ich blieb zwischen all dem Plunder im Laden stehen. Das Licht hatte ich gelöscht. Um mich zu orientieren, verließ ich mich auf den Schein meiner kleinen Leuchte.
    Wenn ich die Hand bewegte und den Lichtstrahl wandern ließ, huschte er lautlos über die Masken und Fetische an den Wänden hinweg, riß sie für einen Moment aus der bedrückenden Schwärze hervor, hauchte ihnen ein zuckendes und böse wirkendes Sekundenleben ein, um sie dann wieder in der Finsternis verschwinden zu lassen. Ich fühlte mich beobachtet. Hinter den leeren Augenhöhlen der Masken hatten sich Geister versteckt, die mich nicht aus der Kontrolle ließen. Es war ein Laden voller Geheimnisse und Rätsel.
    Hier blühte das Grauen im Verborgenen, die Kräfte des Spiegels hatten sich auch auf die anderen Requisiten übertragen.
    Meine Schritte klangen dumpf. Ich konnte nicht vermeiden, daß ich irgendwo gegenstieß. Zuviel stand herum, zuviel hing von der Decke herab und streifte mein Haar.
    Als ich mit der Schulter den Deckel eines offenstehenden Violinenkastens berührte, klappte er mit einem schwappenden Geräusch zu. Es hörte sich an, als wäre ein Sargdeckel geschlossen worden. Ich bewegte mich in die mir unbekannten Ecken des Ladens. Zuvor aber schaute ich mir den Spiegel noch einmal an. Die Stille war beklemmend, wenn ich stehenblieb und dabei nur meinen eigenen Atem hörte. Vor mir stand der Spiegel.
    Ich legte meine Handfläche gegen ihn. Er fühlte sich kalt an. Eine irgendwie eisige Schicht schien die Fläche einzuhüllen und nicht nur das. Es kam mir vor, als umgäbe sie den ganzen Spiegel nebst Rahmen. Ich zog die Hand wieder zurück. Kalt war die Haut geworden. Die Fläche zeigte ein geheimnisvolles Schimmern. Sie gab mein Spiegelbild zurück, aber düster und geheimnisvoll, als wäre der Spiegel dabei, es tief in die Fläche zu saugen.
    Er wirkte hier wie ein Fremdkörper, wie eine Insel, die aber alles beherrschte.
    Ich drehte ihm den Rücken zu, fühlte mich aber kaum besser, denn irgendwie hatte der Spiegel alles unter seiner Kontrolle. Er dirigierte hier, er war der beherrschende Gegenstand innerhalb dieses ungewöhnlichen Geschäfts.
    Wieder huschte der Strahl meiner Lampe durch den Raum. Er war wie ein Windhauch, beinahe lautlos, er glitt in jede Ecke, in jeden Winkel und auch in den Zwischenraum neben einem schmalen Regal, der wie ein kleiner Tunnel wirkte.
    Es war ein Gang, nicht sehr lang oder breit. Er endete schon nach ein paar Yards.
    Der Grund dafür war simpel.
    Eine Stiege führte zur Decke hoch. Sie hatte an der rechten Seite ein Geländer, das ebenso wie die Stufen aus Holz bestand. Ich ließ den Lichtstrahl über die Decke wandern und sah sehr deutlich den Umriß einer Luke. Sie war breit genug, daß ich hindurchklettern konnte.
    Luken gab es eigentlich nur bei Dachwohnungen, die man von unten erreichen wollte. Wenn ich sie öffnete, wohin gelangte ich dann? In die Wohnung der nächsten Etage? Etwa bei fremden Leuten, wo ich erschien wie ein Geist?
    Das war möglich. Andererseits konnte ich mir nicht vorstellen, daß Mieter es zuließen, wenn zu ihrer Wohnung ein fremder Einstieg führte. Ich ging davon aus, daß der Raum, der über der Luke lag, noch zu Temples Laden gehörte.
    Einmal neugierig geworden, stieg ich die Stufen hoch. Sie hielten mein Gewicht aus, bewegten sich nicht einmal. Die Luke war nicht verschlossen. Mit der Schulter drückte ich gegen das Holz und schaffte es, die Luke anzuheben.
    Sehr langsam schwang sie hoch.
    Ich fing sie ab, damit sie nicht mit einem Krachen auf den Boden

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