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Gassen der Nacht

Gassen der Nacht

Titel: Gassen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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waren leer. Seinen Warnungen hatten gefruchtet. Die Erinnerung an den schrecklichen Mord war in den Köpfen der Menschen noch zu lebendig. Da wurden selbst die härtesten Typen weich.
    Und über dem Viertel stand der Mond als stummer, blaßgelber Beobachter. Ein Auge aus der Finsternis, hervorgetaucht aus unheimlichen Schattenwelten und dazu bereit, das Böse aus seinen Verstecken hervorzulocken.
    Darauf wartete Ralston. Er wußte sofort, daß es sich gezeigt hatte, als er den Schrei hörte.
    Den Schrei einer Frau!
    Einmal nur war er aufgeklungen. Das aber hatte Ralston gereicht, um erkennen zu können, aus welcher Richtung er aufgeklungen war. Hinter ihm, aber ungefähr in gleicher Höhe. Und dort wohnte eine Person, die er bereits besucht hatte.
    Paula Devine!
    Er fühlte sich, als hätte eine Kralle aus Blech seinen Magen umklammert. Wie zum Sprung stand er da, wartete darauf, daß sich der Schrei wiederholen würde.
    Es passierte nichts.
    Er hörte auch keine Schritte. Niemand eilte der Person zu Hilfe, die geschrien hatte. Sie alle ahnten etwas, aber sie blieben in ihre Wohnungen. Das konnte von Vorteil sein.
    Die Gassen waren still. Zwischen den dunklen Hauswänden rechts und links ballte sich die Finsternis zusammen vor dem hereinfallenden Mondlicht. Es entstanden seltsame Schatten, die wie huschende Wesen nach ihm zu greifen schienen.
    Beinahe wäre er an der Einmündung der kleinen Quergasse vorbeigelaufen. Im letzten Augenblick bremste er ab, wandte sich nach rechts und tauchte in den schmalen Spalt.
    Dort roch es feucht wie in einer von Nebel erfüllten Gruft. Nicht nur seine Schritte hörte der Inspektor, auch die anderen, die trippelten. Er sah die Körper der Nager aus seiner Nähe weghuschen. Blitzschnell verschwanden sie in ihren Verstecken.
    Er warf einen Abfallkübel um, auf den schon kein Deckel mehr paßte, weil die Tonne übervoll war, dann tauchte er in der richtigen Straße wieder auf.
    Die Fenster der Häuser waren geschlossen. Da er den Schrei aber so deutlich gehört hatte, ging er davon aus, daß eines offenstand. Selbst das Mondlicht reichte nicht aus, um dies erkennen zu können. Ralston hatte einen Verdacht, und den wollte er bestätigt wissen. Für ihn war das Ziel Paula Devine geblieben.
    Es war leicht, das Haus zu finden. Mit der Schulter rammte er die Tür auf.
    Er mußte nach oben, blieb sicherheitshalber am Fuß der Treppe stehen und lauschte. Diese verdammte Ruhe - er haßte sie plötzlich. Alles im Haus hatte sich verändert, kein Mieter schlich aus seiner Wohnung, um nachzuschauen, obwohl die Neugierde bei den Menschen hier sonst wahre Triumphe feierte. Durch ein Flurfenster fiel fahler Mondschein auf den schmutzigen Boden und verteilte sich dort wie dünnes Wasser. Ray mußte hoch. Es konnte nur Paula gewesen sein, die so schrecklich geschrien hatte. Die Treppe war alt, wurde selten geputzt und war deshalb rutschig. Er hielt sich am Handlauf fest, kontrollierte seinen Atem und spürte gleichzeitig, daß die Spannung in ihm zunahm. Sie glich kleinen elektrischen Entladungen. Stromstößen, die intervallartig über seinen Körper zuckten.
    Paula Devine wohnte in der letzten Etage. Nicht nur die Wände in ihrer Wohnung waren schräg, das begann schon im Flur, wo die Decke schräge Schatten warf und sich der Inspektor ducken mußte, wollte er nicht gegen das Holz stoßen.
    Es war nichts zu hören.
    Wieder nur die tödliche Stille, die an seinen Nerven zerrte. Da stimmte einiges nicht. Der Mann zog seine Waffe. Einen Schrei nur hatte er gehört, danach nichts mehr.
    War es der erste und gleichzeitig der letzte Schrei dieser Frau gewesen?
    Ralston spürte den dumpfen Atem des Grauens. Er legte sich klebrig über sein Gesicht. Es war eine Warnung vor dem Kommenden, aber sich zurückziehen wollte er auch nicht. Er war den Weg gegangen, er hatte in den sauren Apfel gebissen und würde ihn auch schlucken. Vor der Tür blieb er stehen. Daß sie nicht geschlossen war, warnte ihn ebenfalls.
    In seinem Magen zog sich etwas zusammen. Es war wie Säure, die er getrunken hatte. Für einen Moment fühlte er sich so verdammt hilflos und allein. Er hätte sich jetzt gewünscht, einen Partner an der Seite zu haben, aber Sinclair befand sich auch weiterhin im Laden. Er stieß die Tür auf.
    Wie eine große Schattenwand schwang sie in die Wohnung hinein, in den kleinen Flur, wo es seiner Meinung nach ungewöhnlich roch. Er schnupperte. Wie Fett, dachte er. Altes, ranziges Fett. Er ging einen Schritt

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