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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Wänden leuchteten siebenhundertsiebenundsiebzig Kontroll- und Meßgeräte. In der Mitte befand sich ein Podium mit einem Tisch. Darauf stand ein Mikrophon, daneben eine Taste unter einer Glocke aus Diamanten – sonst nichts. Von hier sollten dem Universalautomaten die Befehle erteilt werden.
    Der Chefingenieur erklärte den Herrschern über die Atlantiden, der Riesenmechanismus könne ebensogut exotische Blumen züchten wie Menschen vernichten. Er hatte keine Sicherungen wie unsere heutigen Automaten, er war ihnen in nichts ähnlich. Dieser Superautomat war ein barbarisches Instrument, ein Werkzeug wilder, ungezügelter Instinkte, millionenmal größer als die Pyramide des Cheops. Schweigend standen die Menschen in dem Raum. Obgleich an der Decke sieben Lampen brannten, verschlangen die schwarzen Wände das helle Licht. Der Automat sollte zu einem späteren Zeitpunkt in Gang gesetzt werden; aber der Chefingenieur, der sich die Huld der Herrscher sichern wollte, überredete sie, schon jetzt einen Versuch zu unternehmen. Er lebte selbst seit Jahren in fieberhafter Erwartung. In seinem Innern schlummerte ein Gedanke, den er ängstlich verbarg. Er wußte, daß der Mensch, der einmal durch das Mikrophon dem Automaten seine Befehle erteilte, mächtiger war als alle assyrischen und babylonischen Magier zusammen. Als der erste der sieben Herrscher ihn fragte, was er tun müsse, damit der Automat zu arbeiten beginne, da antwortete er: ,Herr, ein Druck auf diesen schwarzen Knopf hebt die Schleusen der Dämme, dann strömt das Wasser des San Juan in die siebenundsiebzig Schächte der Turbinen, die den Strom für das metallene Eingeweide des Automaten erzeugen. Dann beginnen seine Organe zu arbeiten, seine Adern zu pulsen.‘ Der älteste der sieben Gewaltigen war von diesen Worten leicht bewegt, denn er liebte große und außergewöhnliche Dinge. Wie unabsichtlich drückte er mit seinem weißen, fetten Finger auf den Knopf. Plötzlich zuckten die Lichter, ein Zittern ging durch die Zeiger der Instrumente, Kontrollampen öffneten ihre roten Augen und starrten die Menschen an. Der Felsen über ihren Köpfen begann zu dröhnen, sich zu bewegen.
    Räder wirbelten um ihre Achsen, Maschinen keuchten, Tausende von Vakuumröhren glühten purpurrot, Relais hoben und senkten sich, durch die Spulen, die Solenoide, floß der Strom. In dem schwarzen Raum waren nur die beleuchteten Instrumente zu sehen. Aus dem Lautsprecher drang ein dumpfes Rauschen. Das Ungeheuer mit dem Kupferhirn war wohl zum Leben erwacht, es schlief aber noch und schien zu schnarchen.
    Da begriffen die Herrscher der Atlantiden, daß sie vor einem allmächtigen Wesen standen, vor einer Gottheit, die sie selbst geschaffen hatten, die alles vollbringen würde, was sie ihr befahlen. Als sie darüber nachdachten, erschraken sie in ihrem eigenen Herzen, als hätten sie in einen Abgrund geblickt; denn sie waren nicht gewöhnt, alles zu vermögen. Jedem von ihnen kam der Gedanke, daß dieser Automat imstande war, den Reichtum, die Macht, das Leben der anderen sechs zu vernichten, wenn er es befahl. Aber sie wiesen vorerst diesen zudringlichen, lästigen Gedanken zugunsten des neuen Krieges zurück, den sie gemeinsam beschlossen hatten.
    Unter ihnen war der achtzehn Jahre alte Sohn des Herrn über das Eisen, des Reichsten von allen, denn aus Eisen wurden die Vernichtungswaffen geschmiedet. Dieser Herrscher verstand es wie kein anderer, Blut mit Gold zu kaufen. In seinen Hüttenwerken dröhnten Tag und Nacht Tausende Stahlhämmer, nur damit in fernen Ländern Tausende Herzen zu schlagen auf hörten. Sein Sohn war ein blasser, melancholischer Jüngling. Er kannte bereits den Geschmack aller Früchte der Erde, alle nervenaufpeitschenden Gifte und alle Genüsse, die man für Gold kaufen kann. Deshalb war ihm die Welt langweilig. Auf der Suche nach neuen Genüssen hatte er sich in die dunklen Labyrinthe auswegloser Philosophien verirrt.
    Keiner der Herrscher wagte ein Wort zu sprechen. Von der eigenen Nichtigkeit gegenüber diesem allmächtigen Mechanismus bedrückt, lauschten sie dem gleichmäßigen Rauschen der Ströme, das nun klang, als atmete das Ungeheuer in wacher, gehorsamer Erwartung. Da trat der blasse junge Mann plötzlich vor und fragte: ,Wozu leben wir?‘ Sein Vater zuckte zusammen, wollte ihn zurechtweisen – aber der Automat bewegte sich bereits. Die Lampen flackerten, ihr Licht wurde schwächer, die Dunkelheit der Wände kroch näher an die Menschen heran. Auf

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