Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
rasch meinen Blicken, daß ich nicht einmal merkte, welche Richtung er einschlug. Ich beugte mich aus der offenen Luke. Nun sah ich ihn wieder. Er war bereits einige Dutzend Meter von unserer Unterkunft entfernt. Seine Beine versanken bei jedem Schritt im Sand. Ich schaute mich um und suchte in der Ferne die Kuppel des Atommeilers zu entdecken – dort befand sich auch der Bunker der Automaten – und zuckte unwillkürlich zusammen. Ein kurzer Blitz, dem drei, vier schwächere folgten, zerriß die Finsternis. Meteore! Die Gewalt des Aufpralles hatte sie in Flammen umgewandelt. Ich stand eine Weile wie gelähmt. Am Horizont zuckte greller Lichtschein auf. Zorin war so klein, daß ich seine Silhouette, wenn er über einen hellen Geländestreifen schritt, mit einem Finger meiner ausgestreckten Hand verdecken konnte.
    „Wie geht es sich?“ rief ich in das Mikrophon, nur um etwas zu sagen. „Wie in Sirup“, antwortete er.
    Ich schwieg. Immer wieder blitzte es bald hier, bald dort auf, als tauschten unsichtbare Wesen Lichtsignale aus. Plötzlich kam mir zum Bewußtsein, daß ich im Freien stand. Das hatte keinen Sinn. Wenn ich mich der Gefahr aussetzen wollte, dann hätte ich mit Zorin gehen können. Ich zog mich in die Schleuse zurück und verlor ihn aus den Augen. Ich stützte mich mit der Hand an den Rahmen der Luke und konnte nun das Zifferblatt meiner Uhr und zugleich das Stück Horizont im Auge behalten, das dem Ausgang gegenüberlag. Es blitzte ununterbrochen. Ich starrte auf den Sekundenzeiger, der unerträglich langsam umlief, und wartete. Noch drei Minuten, dachte ich, dann muß er am Bunker sein. Laut fragte ich: „Gehst du noch?“
    „Ja.“
    Diese Fragen und Antworten wiederholten sich einige Male. Dann sah ich in der Ferne zwei Blitze und hörte gleichzeitig ein unterdrücktes Stöhnen. „Zorin!“ rief ich.
    „Nichts, nichts, es ist nichts…“, antwortete er mit heiserer Stimme. Ich atmete auf. Natürlich – der Meteor hatte ihn nicht getroffen, sonst wäre er auf der Stelle tot gewesen.
    Gehst du noch? wollte ich von neuem fragen, aber die Worte blieben mir in der Kehle stecken. In den Kopfhörern raschelte es laut.
    „Laß los“, brummte Zorin undeutlich. „Weshalb hältst du mich denn fest? Wird’s bald?“
    „Mit wem sprichst du denn?“ schrie ich und spürte, daß sich mir die Haare sträubten.
    Er antwortete nicht. Ich vernahm nur seinen keuchenden Atem, als ringe er mit jemandem. Mit einem Satz sprang ich durch die Luke hinaus. Nach wie vor war der Raum von den schrägen Strahlen der Sonne A in eisiges Halblicht getaucht, tot und leer. Rasch rechnete ich aus, daß Zorin ungefähr 350 bis 400 Meter vom Haus entfernt war. Ich sah aber nur zackige, schroffe Felsen, Dünen, Schatten und Lichtstreifen… „Zorin!“ schrie ich, daß mir selbst die Ohren dröhnten.
    „Ja, ja“, antwortete er endlich mit der gleichen heiseren, gedämpften Stimme. Auf einmal bewegte sich an einer Stelle der Sand, glitzernd erhob sich der Skaphander. Zorin richtete sich auf und stapfte langsam weiter.
    Er ist gestürzt, überlegte ich. Aber mit wem hat er gesprochen? Ich ließ diese Frage einstweilen auf sich beruhen und kehrte in die Schleuse zurück. Da meldete sich Zorin. „Ich bin angelangt.“ Er murmelte etwas Unverständliches. Anscheinend mußte er den Sand beseitigen, der den Eingang verschüttet hatte. „Ich beginne mit der Operation“, sagte er bald darauf. Es dauerte länger, als ich vermutet hatte – nach der Uhr eine halbe Stunde, für meine angespannten Nerven eine Ewigkeit. Endlich teilte Zorin mit: „Schluß. Nun werden sie aufs Wort gehorchen. Ich komme zurück.“
    Ich weiß nicht, ob ich mich täuschte, die Blitze zuckten häufiger. Auch der Boden bebte zweimal hintereinander. In der Kammer achteten wir nicht darauf, hier aber schlug mein Herz schneller. Zorin kam sonderbar langsam zurück. In den Hörern klang sein Atem so schwer, als liefe er. In Wirklichkeit bewegte er sich viel langsamer als auf dem Hinweg. In meiner Ungeduld und Unruhe trat ich immer wieder vor die Luke und hielt Ausschau. Die weiße Sonne A berührte bereits den Horizont. Die Nacht ging zu Ende, der Meteorregen würde in wenigen Minuten stärker werden.
    „Weshalb gehst du denn so langsam?“ rief ich schließlich. Er antwortete nicht, keuchte nur. Ich begriff nicht. Es war doch undenkbar, daß der Weg ihn so sehr erschöpft hatte. Plötzlich stand er vor der Luke, trat rasch, aber offenbar unsicher in die

Weitere Kostenlose Bücher